„Das Thema lag schon länger in der Luft“

von Redaktion

An der Basis stößt Franziskus durchaus auf Zustimmung, konservative Kirchenkreise positionieren sich gegen ihn

München – Auch der Papst muss sich damit abfinden, dass das Coronavirus alles im Griff hat. In Bayerns Pfarreien müssen Gottesdienste umorganisiert werden, Firmungen, Taufen. Die Aussagen von Papst Franziskus zu gleichgeschlechtlichen Partnerschaften waren gestern deshalb noch nicht in alle Pfarreien durchgedrungen.

So ging es auch Pfarrer Stephan Rauscher. Er ist Seelsorger im Pfarrverband Holledau im Landkreis Freising und im Corona-Stress. Aber auch wenn er die Aussagen des Chefs noch nicht im Detail kennt, hat er eine Meinung. Es sei wichtig, weiter zu unterscheiden, sagt Rauscher. Die Kirche müsse das Sakrament der Ehe zwischen Mann und Frau verteidigen. Das habe nichts mit Diskriminierung zu tun. In der biblischen Grundordnung dürfe man jedoch das Menschliche nicht übersehen. Wenn sich Papst Franziskus für eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften ausspreche, „kann ich das verstehen“.

„Das Thema lag schon länger in der Luft“, sagt Josef Riedl, Dekan und Stadtpfarrer in Ebersberg und im Pfarrverband Steinhöring. „Ich finde die Aussage von Papst Franziskus ehrlich. Er spricht ein Thema an, dass es in der Realität und in der Gesetzgebung schon längst gibt.“ Die Kirche dürfe ihre Position nicht auf den Katechismus beschränken. Dort sei vieles schwarz-weiß. Riedl ist für eine differenziertere Sichtweise. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse seien inzwischen eindeutig, sagt Riedl. Homosexualität sei nichts Anerzogenes und auch keine heilbare Krankheit, sondern im Menschen veranlagt. Dem müsse die Kirche Rechnung tragen. Eine rechtliche Absicherung ernst gemeinter homosexueller Partnerschaften sei ein guter Schritt.

Kardinal Reinhard Marx, Erzbischof von München und Freising, wollte sich gestern nicht äußern. Aber seine Haltung ist bekannt. Die katholische Kirche verweigert homosexuellen Paaren weiterhin das Sakrament der Ehe. In einem Stern-Interview sagte Marx zuletzt: „Eine homosexuelle Beziehung ist ja keine Ehe. Das Sakrament der Ehe ist auf die treue Beziehung zwischen Mann und Frau ausgerichtet, die offen ist für Kinder.“ Aber er sagt auch: „Wenn Menschen in einer homosexuellen Beziehung über Jahre in Treue leben, füreinander da sind, sich sogar pflegen, bis in den Tod: Da können wir als Kirche doch nicht um dieses ganze Leben eine Klammer machen, mit einem Minuszeichen davor und sagen, dass das alles nichts wert ist, nur, weil es in einer homosexuellen Beziehung stattfindet.“

In konservativen Kreisen kommt die neue Haltung nicht gut an. Die Erzdiözese New York veröffentlichte am Mittwoch einen Artikel mit dem Titel „Wie mit Fehlern des Papstes umzugehen ist“. Der deutsche Kardinal Gerhard Ludwig Müller, Ex- Präfekt der römischen Glaubenskongregation, äußerte ebenso Bedenken wie sein US-Kardinalskollege Raymond Burke. Der beklagte gestern die „große Verwirrung“, die unter katholischen Gläubigen ausgelöst werde. Die Aussagen des Papstes stellten einen Widerspruch zur kirchlichen Lehre dar.  wha/kna

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