Visionär, Wohltäter, Feindbild

von Redaktion

Mit Microsoft stieg Bill Gates zum reichsten Mann der Welt auf. Seine Marktmacht verteidigte er mit harten Bandagen, nun gibt er sein Geld großteils für gute Zwecke aus – und wird dennoch angefeindet. Heute wird der US-Amerikaner 65 Jahre alt.

VON CHRISTOPH DERNBACH

Redmond – Für einen Urlaub hatte Bill Gates im Herbst 1993 eigentlich keine Zeit. Die Entwicklung des umwälzend neuen Betriebssystems Windows 95 forderte seine ganze Aufmerksamkeit. Allerdings hatte Gates damals einen triftigen privaten Grund – er war frisch verlobt. Das Paar wollte dies auf einer Safari-Tour in Ostafrika mit Freunden feiern. Doch dieser Trip sollte Gates und seiner Partnerin Melinda die Augen für ganz andere Herausforderungen öffnen.

„Unsere Zeit in Ostafrika war unsere erste wirkliche Begegnung mit extremer Armut“, erinnerte sich Melinda Gates 25 Jahre später in einem Blogeintrag. „Es war sowohl augenöffnend als auch herzzerreißend.“ Bevor das Paar wieder in die USA zurückflog, machte es einen langen Spaziergang an einem Strand in Sansibar. „Wir führten das Gespräch, das am Ende unser Leben verändern sollte.“ Sie waren sich vorher schon einig gewesen, den Großteil des mit Microsoft erworbenen Vermögens zu verschenken. „Wir waren uns aber nicht sicher, wie wir das machen sollen. Jetzt hatten wir ein Gefühl für das Ziel – und die Dringlichkeit.“

Die Vision: Ein PC in jedem Haushalt

Kurz nach der Ostafrika-Reise gründete der Software-Unternehmer die „William H. Gates Foundation“, die zunächst von seinem Vater geführt wurde und sechs Jahre später in der „Bill & Melinda Gates Foundation“ aufging. Seit einer Reise nach Indien 1994 propagierte er Polio-Schutzimpfungen, um die Kinderlähmung auszurotten.

Die Gates-Stiftung hat drei Schwerpunkte. Im Bereich Gesundheit fördert sie die Erforschung und Entwicklung von Medikamenten und Impfstoffen sowie deren Verbreitung. Um den Hunger in der Welt zu bekämpfen, kümmert sich die Stiftung auch um den Bereich Landwirtschaft. Sie will produktive Pflanzen erforschen lassen und Landwirte unterstützen, vor allem in Afrika. Außerdem engagiert sich die Stiftung in Bildungsprogrammen für US-Jugendliche.

Gates wurde am 28. Oktober 1955 als Sohn einer Lehrerin und eines wohlhabenden Rechtsanwalts geboren. In der Grundschule beeindruckte er seine Lehrer vor allem in Mathematik und Naturwissenschaften. In der 8. Klasse verschaffte er sich Zugang zu einem Fernschreiber des Typs ASR-33, mit dem die Schüler bei General Electric Computerzeit nutzen konnten. Dort schrieb er die ersten BASIC-Programme.

Aus der jugendlichen Schwärmerei für Technik heraus entwickelte Bill Gates eine Leidenschaft und Hartnäckigkeit, die seinen Lebensweg prägen sollten. Außer ihm hat vermutlich nur Apple-Mitbegründer Steve Jobs so früh daran geglaubt und so entschlossen daran gearbeitet, dass Computer einmal von jedermann genutzt werden können. Das konnten sich Anfang der 1970er-Jahre nur wenige vorstellen.

1975 brach Gates sein Harvard-Studium ab, um mit seinem Freund Paul Allen das Unternehmen Microsoft aufzubauen. In diesen Anfangstagen der IT-Industrie entwickelte er das Konzept „A computer on every desk and in every home“ (Ein Computer auf jedem Schreibtisch und in jedem Haushalt).

„Browser-Krieg“ bringt Microsoft in Misskredit

Bei der Umsetzung hatte er auch Glück: Eher zufällig bekam er 1980 den Auftrag, ein Betriebssystem für den ersten Personal-Computer von IBM zu liefern. Diese Software besaßen Gates und Allen noch gar nicht, sondern mussten sie bei einem Bekannten zukaufen – für 50 000 Dollar. Gates bewies mit dem Deal auch sein Verhandlungsgeschick. Er rang IBM das Recht ab, dass Microsoft das System 86-DOS auch anderen PC-Herstellern verkaufen darf.

Mit dem Betriebssystem DOS legte Gates nicht nur den Grundstein für den Erfolg von Microsoft und sein Vermögen, sondern begründete die Software-Industrie. Mit dem Büropaket Office und dem Betriebssystem Windows trieb Microsoft das Personal Computing voran und stieg zu einem übergroßen Software-Imperium auf. Gates wurde dank seiner Microsoft-Aktien später der reichste Mensch der Welt.

In seiner Zeit an der Spitze schreckte Gates nicht davor zurück, die Marktmacht von Microsoft mit spitzen Ellbogen auszudehnen. So zettelte er 1995 den „Browser-Krieg“ gegen Netscape an, nachdem Microsoft die Bedeutung des Internets zunächst verschlafen hatte. Mit dem Paket aus Windows und Internet Explorer wurde Netscape vom Markt gedrängt. Die damalige US-Justizministerin Janet Reno klagte: „Microsoft nutzt sein Monopol auf ungesetzliche Weise, um seine Alleinherrschaft zu verteidigen und zu erweitern.“

In dieser Zeit tauchte der Slogan „Gib Gates keine Chance“ auf – angelehnt an die Kampagne aus den 80er-Jahren „Gib Aids keine Chance“. Die Parole dient inzwischen Impfgegnern und Verschwörungserzählern, Bill Gates zu verunglimpfen.

Im Januar 2000 trat Gates als Konzernchef (CEO) zurück, um sich auf die Rolle des „Chief Software Architect“ zu fokussieren. Doch häufig ging es in den Meetings nicht um Software-Projekte, sondern um Kartellrecht: Microsoft entging damals nur knapp einer drohenden Zerschlagung.

Im Juli 2008 verabschiedete sich Gates endgültig aus dem Tagesgeschäft, um sich seiner Stiftung für wohltätige Zwecke zu widmen. 2014 gab er dann auch die Position als Chairman (Aufsichtsratsvorsitzender) auf. In dieser Rolle hatte er jahrelang seinem Nachfolger Steve Ballmer zur Seite gestanden.

Mit dem Rückzug auf Raten bei Microsoft arbeitete sich Gates immer tiefer in die Fachthemen seiner Stiftung ein und wurde schnell zu einem respektierten Experten für Impfkampagnen. Und er gab im großen Stil Geld für wohltätige Zwecke. Erklärtes Ziel der Stiftung ist es, 20 Jahre nach dem Tod von Bill und Melinda Gates alle Finanzmittel aufgebraucht zu haben. 2018 verfügte die Stiftung über ein Vermögen von fast 47 Milliarden Dollar.

Die Queen schlägt Gates zum Ritter

Das Engagement fand auch bald Anerkennung. Im Jahr 2005 schlug ihn die britische Königin Elizabeth II. zum Ritter, das „Time Magazine“ ernannte ihn zusammen mit seiner Frau Melinda und dem irischen Sänger Bono von U2 zur „Person des Jahres“. 2008 verlor er nach 13 Jahren an der Spitze der Forbes-Liste als reichster Mensch der Welt die Führungsposition. Obwohl Gates mittlerweile etliche Milliarden Dollar in seine Stiftung gesteckt hat, steht er derzeit immer noch auf Platz drei der Forbes-Liste – auch weil die Microsoft-Aktie rasant an Wert gewonnen hat.

Bei der Verwaltung des Stiftungsvermögens agiert Gates als knallharter Unternehmer, was ihm immer wieder Kritik einträgt. So investierte die Stiftung auch in umstrittene Konzerne wie Exxon und BP. Gerüchte, die Stiftung verdiene am Vertrieb von Impfstoffen, stimmen aber nicht. Falsch ist auch die Behauptung, Bill Gates habe gesagt, Impfen sei „die beste Art der Bevölkerungsreduktion“.

Die Verleumdungen hindern Gates nicht daran, sich für einen Impfstoff gegen Covid-19 einzusetzen. Er lässt sich auch nicht davon beeindrucken, dass radikale Impfgegner das Gerücht streuen, die Pandemie sei der Deckmantel für einen Plan zur Implantation rückverfolgbarer Mikrochips (s. Artikel unten).

In der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ schrieb Gates unlängst: „Gibt es eine Impfung gegen das Virus, können die Regierungen die Maßnahmen zur räumlichen Distanzierung aufheben. Wir werden keine Masken mehr zu tragen brauchen. Die Weltwirtschaft wird wieder volle Fahrt aufnehmen.“ Zwingend finde diese Entwicklung aber nicht statt. „Um dorthin zu gelangen, braucht die Welt zuerst drei Dinge: die Kapazitäten, Milliarden Impfstoffdosen zu produzieren, die finanziellen Mittel, um sie zu bezahlen, und Systeme, die diese verbreiten können.“ Einen Teil der Rechnung wird Gates aus eigener Tasche bezahlen.

Artikel 3 von 3