„Außer Kontrolle droht derzeit eher unser Umgang mit Corona zu geraten als die Krankheit selbst. Dabei hat sich die Welt verändert, seit das Virus vor knapp einem Jahr in Wuhan seinen globalen Eroberungsfeldzug antrat. Wir kennen Corona längst viel besser. Wir wissen, dass das Virus zwar nicht ungefährlich ist, aber auch nicht so todbringend wie anfangs vielerorts befürchtet. Es ist beherrschbar, auch ohne Lockdown – ein Instrument übrigens, das in der gesamten Menschheitsgeschichte bislang einzigartig ist. Und ob diese Idee des totalen Stillstands nun die Rettung oder unsere Büchse der Pandora 2.0 war, können vielleicht erst künftige Generationen beurteilen.“
„Egal ob das Ganze nun als zweiter Lockdown verkauft wird oder als Lockdown light oder – neuerdings etwas verniedlichend – Wellenbrecher: Die jetzigen Entscheidungen sind wuchtig, massiv, überwältigend, übertrieben und maßlos. (…) Es steht außer Frage, dass einem die täglich steigenden Zahlen der Neuinfizierten und die von Tag zu Tag stärker rot und dunkelrot eingefärbte Deutschlandkarte die Sprache verschlagen. (…) Dennoch ist es gerade jetzt wichtig, nicht die Nerven zu verlieren oder in Panik zu verfallen. Einige Politiker, die Kanzlerin vorneweg, agieren aber inzwischen alles andere als besonnen.“
„Wissenschaftlich begründbar ist das Herunterfahren des öffentlichen Lebens nicht, weil nur in 30 Prozent der positiven Corona-Infektionen die Ursache bekannt ist. Vor diesem Hintergrund ist das Verhalten der Ministerpräsidenten und der Kanzlerin nicht mehr als ein Tappen im Dunkeln: Sie erheben die bloße Annahme des Risikos zur Gewissheit. Und lassen eine Antwort auf die Frage vermissen, was passiert, wenn die Maßnahmen nicht greifen.“
„Die wirkliche Corona-Krise beginnt erst jetzt. Sie zwingt zu einer Gratwanderung zwischen Protest und Panik. Ein Rundblick durch Europa zeigt, dass kein Staat davor gefeit ist, auch Schweden nicht, das für seinen dritten Weg bewundert wurde, dem aber, wie den nördlichen deutschen Bundesländern, doch eigentlich nur seine geringere Bevölkerungsdichte entgegenkam. (…) Das Virus ist weit schwieriger zu fassen als noch zur Zeit der ‘ersten Welle’.“
„Dieser Lockdown entbindet die Politik nicht von der Pflicht, eine neue Strategie zu entwickeln. Ein besserer Schutz für die Risikogruppen, ein konsistenterer Plan für die Schulen, mehr Schnelltests, mehr Personal für die Gesundheitsämter – der Lockdown jetzt ist auch der Preis für Versäumnisse der vergangenen Monate. Nur wenn wir die Zeit (…) für einen effizienteren Weg des Kampfes gegen das Virus nutzen, sind die hohen Kosten gerechtfertigt.“