„Höhere Zahlen können wir uns nicht leisten“

von Redaktion

RKI-Chef Wieler erkennt einen „guten Trend“ bei den Corona-Infektionen – ob das die Wende ist, bleibt noch offen

München/Berlin – Als Rheinländer ist Lothar Wieler von Haus aus Optimist, sagt er. Deshalb kann der Chef des Robert-Koch-Instituts (RKI) in den weiterhin hohen Corona-Infektionszahlen auch Entwicklungen finden, die Mut machen. Denn dass die Fallzahlen gerade nicht mehr steigen, bedeute, dass der derzeit verhängte „Lockdown light“ wirkt. „Ein guter Trend“, sagt Wieler. Und auch wenn er das an den bisherigen Zahlen noch nicht absehen kann, ist er guter Dinge, dass sie schon nächste Woche sinken könnten.

Der RKI-Chef ist allerdings nicht nur Rheinländer sondern auch Wissenschaftler. Und als solcher betont er gleichzeitig, wie gefährlich ein weiterer Anstieg wäre. „Höhere Zahlen können wir uns einfach nicht leisten“, sagt Wieler. Es sei schon jetzt „möglich, dass manche Kliniken an ihre Grenzen kommen“ und „Patienten nicht mehr überall optimal versorgt werden können“.

Ob die Trendwende nun gelingt, ist offen. Das RKI meldete am Donnerstagmorgen 22 609 Neuinfektionen innerhalb eines Tages. Das waren rund 5000 Fälle mehr als am Vortag. Die Zahl der Todesfälle stieg um 251 auf 13 370. Damit bewegten sich die Zahlen zwar weiter etwa auf dem Niveau der Vorwoche, als der tägliche Zuwachs bei den Infektionen zwischen 12 000 und 23 000 schwankte. Doch die Zahl der Covid-Toten in Deutschland wird wahrscheinlich alleine in dieser Woche bei über 1000 liegen. Auch die Zahl der schweren Verläufe steigt mit der bekannten Zeitverzögerung weiter. Am Donnerstag wurden 3561 Covid-Patienten auf der Intensivstation behandelt – ein neuer Höchststand. Kurzum: „Wir sind noch lange nicht über den Berg“, sagt Wieler.

Das angestrebte Tal ist ein beherrschbares Niveau der Infektionszahlen. Und bis es erreicht ist, wird es noch dauern, sagt Wieler. Auf dem Weg dorthin sollten die Deutschen ihre Kontakte reduzieren, die geltenden Regeln einhalten und bei Symptomen mindestens fünf Tage zuhause bleiben. Wir alle „sind der Damm“, sagt Wieler. Und in diesem Monat sei dieser Damm gegen das Virus aufgrund der starken Einschränkungen besonders hoch. Das „beginnt zu wirken“, sagt Wieler. Eine Prognose, wie lange welche Einschränkungen gelten könnten, möchte er aber nicht abgeben.

Ein Fortschritt bahnt sich derweil bei den Corona-Tests an. Gemeinsam mit dem Charité-Labor von Christian Drosten hat das RKI laut Wieler schon vor einigen Wochen eine Möglichkeit entwickelt, die Viruslast in einer Test-Probe zu bestimmen. Daraus ließe sich dann nicht nur ableiten, ob jemand infiziert ist, sondern in vielen Fällen auch, ob jemand noch für andere ansteckend ist. Mehr als 200 Labore habe man bereits mit dieser Möglichkeit ausgestattet. Wieler hofft, dass diese Information bald auch öfter von den Laboren an die Ärzte weitergegeben wird. Zwingen könne man die Labore dazu zwar nicht. Doch wie Wieler es sieht, könnten die Ärzte diese Dienstleistung durchaus einfordern.

Fortschritte meldeten deutsche und amerikanische Unternehmen zuletzt auch bei der Suche nach einem Impfstoff. „Ich bin überrascht, dass es so schnelle Ergebnisse gibt“, sagt Wieler. Zwar habe auch er bisher keine detaillierten Einblicke in die Arbeit von Biontech und Moderna. Doch „nach allem, was man hört, ist das einfach ermutigend“, sagt Wieler. Und der Rheinländer in ihm legt noch nach: „Das ist großartig.“ SEBASTIAN HORSCH

Artikel 3 von 5