Retten Schnelltests das Weihnachtsfest?

von Redaktion

An Heiligabend zu Oma und Opa? Was für Familien sonst dazugehört, wird in Corona-Zeiten zur Gewissensfrage. Können Schnelltests das Fest retten? Und: Wie zuverlässig sind sie? Die wichtigsten Antworten.

VON ANDREA EPPNER

München – Eine Sache steht jetzt schon fest: Um Weihnachten zu retten, werden die neuen Corona-Impfstoffe für die meisten Bürger zu spät kommen – selbst wenn das erste Vakzin tatsächlich noch im Dezember zugelassen wird. Auch dann werden bis zum Fest nur wenige eine Impfung erhalten. Die meisten werden sich daher genau überlegen, wie sie feiern können, ohne ihre Liebsten zu gefährden – und was läge da näher als ein Schnelltest kurz vor Heiligabend!

Wie funktionieren Antigen-Schnelltests?

Auch für einen Schnelltest ist ein Abstrich aus Nase oder Rachen nötig. Anders als beim PCR-Test versucht man dabei jedoch nicht, Erbgut des Virus zu finden. Ein Antigen-Schnelltest soll bestimmte Eiweiße (Antigene) nachweisen, die charakteristisch für das neue Coronavirus sind. „Das ist also ein komplett anderes Verfahren als die PCR“, erklärt Dr. Markus Frühwein, Allgemeinarzt mit Praxis in München, zu der auch eine Corona-Teststelle gehört. Den Tupfer mit dem Abstrich verquirlt man in einer Lösung und trägt dann etwas von der Flüssigkeit auf ein Testkit auf. „Das sieht fast wie ein Schwangerschaftstest aus“, sagt Frühwein. Dann muss man nur noch rund 15 Minuten warten: Wird nur ein Strich sichtbar, ist das ein gutes Zeichen: „Das zeigt, dass der Test funktioniert hat.“ Erscheint ein zweiter Strich, ist der Getestete mit dem Coronavirus infiziert.

Wichtig: Nicht verwechseln sollte man PCR-Tests und solche Antigen-Schnelltests mit Antikörper-Tests: Letztere weisen im Blut nach, dass jemand eine Infektion bereits überstanden und Antikörper gebildet hat. Eine akute Infektion zeigen sie nicht an.

Was sind die Vorteile des Schnelltests?

Antigen-Tests sind deutlich schneller als jeder PCR-Test, bei dem es ein bis zwei Tage dauert, bis ein Ergebnis vorliegt. Einen mit ca. 3,5 Stunden schnelleren PCR-Test bietet der Hersteller Roche an (siehe Randspalte). Die meisten Antigen-Schnelltests zeigen jedoch schon nach 15 bis 30 Minuten: positiv oder negativ? Dafür sind sie weniger empfindlich. Welcher Test die bessere Wahl ist, kommt also vor allem darauf an, wofür man ihn einsetzt.

Wann sind Schnelltests besonders nützlich?

Wie der Name schon sagt: wenn es auf das Tempo ankommt. Schnelltests sind daher seit Oktober auch Teil der „Nationalen Teststrategie“. Vor allem in Kliniken und Pflegeheimen sollen sie helfen, Infizierte ohne Symptome schnell aufzuspüren, etwa unter Bewohnern, Personal und Besuchern. Frühwein hält Schnelltests aber auch vor einem privaten Besuch bei Oma oder Opa für sinnvoll, um mehr Sicherheit zu schaffen. Die Kosten müsse man dann selbst tragen. Mit rund 40 Euro seien die Tests aber günstig.

Wie genau ist der Nachweis?

Antigen-Tests gelten zwar als weniger empfindlich als ein PCR-Test. Man wird damit also insgesamt weniger Infizierte entdecken. Aber: Sie weisen relativ zuverlässig nach, ob jemand aktuell ansteckend ist, sagt Frühwein –und genau darum geht es im Alltag oft. Fällt ein Antigen-Test positiv aus, ist der Getestete auch mit ziemlicher Sicherheit infiziert. Umgekehrt schließt ein negatives Ergebnis eine Infektion aber nicht zu 100 Prozent aus. Das gilt vor allem, wenn diese gerade beginnt oder am Abklingen ist: Sind zu wenige Viren im Abstrich, kann der Test diese nicht mehr nachweisen.

Kann man den Test auch daheim machen?

Wer im Internet sucht, wird auch Angebote für Heimtests finden. Anders als in den USA sind solche in Deutschland aber nicht zugelassen – mit gutem Grund, wie Frühwein findet. Nur geschultes Personal könne einen Abstrich in Nase oder Rachen adäquat durchführen. Das aber sei Voraussetzung für ein zuverlässiges Ergebnis. Übrigens: Ob Laien das vielleicht doch besser hinbekommen, als Experten glauben, will man gerade mit der Studie „Safe School“ in Hessen klären: Rund 1000 Lehrer sollen jeden zweiten Tag selbst Abstriche bei sich vornehmen und diese per Schnelltest untersuchen.

Gibt es bei den Tests Qualitätsunterschiede?

Hier gehen die Meinungen auseinander. Tatsächlich gibt es inzwischen eine Vielzahl von Schnelltests. Eine Liste findet man im Internet auf der Seite des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) unter www.bfarm.de. Um auf diese Liste zu kommen, müssen die Tests zwar bestimmte Mindestkriterien erfüllen. Nur: Die Angaben dazu stammen allein von den Herstellern. Das Institut prüft das nicht nach, ehe es einen Test auf die Liste nimmt. Darauf finden sich mittlerweile mehrere hundert Tests verschiedener Anbieter. Deren Zahl sei geradezu „explodiert“, heißt es dazu bei der Deutschen Stiftung Patientenschutz, die eine genauere Prüfung fordert. „Die Qualität der Tests zeigt deutliche Unterschiede“, sagt auch Virologe Prof. Hans-Georg Kräusslich vom Universitätsklinikum Heidelberg. Frühwein vermutet, dass die Unterschiede am Ende gar nicht so groß sein werden. Klar ist nur: Es fehlt an unabhängigen Daten.

Worauf kommt es bei einem Test an?

Einige wenige unabhängige Studien gibt es immerhin. So hat ein Forscherteam der Berliner Charité Tests von sieben Anbietern geprüft. Dabei ging es vor allem um zwei Größen: Die „Sensitivität“ gibt an, wie zuverlässig der Test Infizierte als solche erkennt. Die „Spezifität“ zeigt, ob der Test Nicht-Infizierte tatsächlich als virusfrei erkennt. Die Spezifität der untersuchten Tests lag zwischen 88,24 Prozent und 100 Prozent. Je infektiöser der Patient zum Zeitpunkt des Abstrichs war, desto besser erkannte der Test das.

Wie schätzen Virologen den Nutzen ein?

Antigen-Tests eröffneten „neue Handlungsoptionen in der Pandemie“, schreiben die Autoren der Charité-Studie. Sie könnten zum Beispiel dabei helfen, zu entscheiden, wann eine Quarantäne aufgehoben werden kann. Die Autoren gehen zudem davon aus, dass sich die Qualität der Antigen-Tests in Zukunft weiter verbessern werde. Am Eingangstor von Seniorenwohnheimen könnten sie „unglaublich viel Gutes“ leisten, sagte kürzlich auch Virologe Prof. Christian Drosten im NDR-Podcast „Das Coronavirus-Update“. Voraussetzung sei jedoch ein Test, der die Infektion zuverlässig anzeige. Auch die Frankfurter Virologin Sandra Ciesek plädierte dort für einen breiten Einsatz. Die derzeit verfügbaren Tests würden zwar auf absehbare Zeit nicht für alle Menschen ausreichen. Man könne damit aber „mehr Bereiche, die uns wichtig sind, absichern“, zum Beispiel Altenheime oder Schulen.

Retten Antigen-Tests Weihnachten mit Oma?

Vor dem Fest also noch schnell zum Arzt – und danach mit einem besseren Gefühl zu Oma oder Opa? Frühwein hält das für eine gute Option, das Risiko für gefährdete Personen zumindest zu reduzieren. Denn letztlich werde kaum einer im Familienkreis Weihnachten mit Maske feiern. Ein Schnelltest sei da doch eine gute Idee. Doch reichen die Kapazitäten, wenn vor dem Fest sehr viele einen wollen? Das kann auch Frühwein nicht versprechen, gibt sich aber optimistisch. Zwar steige die Nachfrage bereits an. Es gebe aber noch genug freie Termine vor dem Fest, beruhigt er. Und zumindest bei ihm reicht der Vorrat an Testkits derzeit auch aus. mit Material von dpa

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