Panne zum Start des Wechselunterrichts

von Redaktion

Lernplattform Mebis streikt für zweieinhalb Stunden – Scharfe Kritik an Kultusminister Michael Piazolo

München – Hunderttausende bayerische Schüler erlebten gestern ein Déjà-vu, eines von der nervigen Sorte. Es war Tag eins des Wechselunterrichts, den die Staatsregierung höheren Schulklassen zur Eindämmung der Corona-Pandemie verordnet hat. Viele Schüler saßen lernbereit daheim vor ihren Rechnern – und pünktlich zu Unterrichtsbeginn um 8 Uhr ging: nichts mehr.

Die Lernplattform Mebis hatte schlapp gemacht, jenes Internetportal des Kultusministeriums, das schon während des ersten Lockdowns im Frühjahr für viel Ärger gesorgt hatte. Zwar war Mebis gegen 10.30 Uhr wieder nutzbar. Doch die Peinlichkeit bleibt. Die Opposition sieht sich in ihrem Dauer-Vorwurf bestätigt, die Staatsregierung habe den Sommer verschlafen. Die Grünen warfen Kultusminister Michael Piazolo (FW) „eklatantes Versagen“ vor. Die FDP sprach gar von einer „Lachnummer“.

Mebis ist eigentlich nicht sehr komplex gebaut. Eine Plattform, auf der Lehrer Aufgaben und Unterrichtsmaterialien bereitstellen können; auch einen Chat gibt es. Dennoch gilt das System als störanfällig. Im Frühjahr gab es massive Probleme, damals wegen Überlastung.

Diesmal soll laut Kultusministerium ein Fehler infolge eines Updates zum Ausfall geführt haben. Seit März habe man das Systems stark verbessert, hieß es. Statt sechs gebe es jetzt 28 Server, die Leistungsfähigkeit habe sich verzehnfacht. „Eine Überlastung der Server ist heute nicht aufgetreten“, stellte das Ministerium klar. Probleme ließen sich nicht völlig ausschließen.

Die Opposition lässt das nicht gelten: Piazolo habe acht Monate Zeit gehabt, die Software nachzubessern, sagte Max Deisenhofer, Sprecher für digitales Lernen bei den Grünen. Die Panne stelle „Piazolos Eignung für das verantwortungsvolle Amt massiv in Frage“ (siehe auch Interview rechts). Der FDP-Bildungsexperte Matthias Fischbach sagte, viele Schüler würden um ihre Bildungschance gebracht, wenn das so weitergehe. Das Problem liege auch bei Finanzminister Albert Füracker (CSU), dessen Ministerium das IT-Zentrum betreue, auf dessen Servern Mebis läuft. „In der Regierung herrscht Riesenchaos, was Digitalisierung betrifft.“ Die jetzige Panne sei „ein schlechtes Omen für alles, was noch kommen wird“.

Besonders Piazolo wird vorgeworfen, die Corona-Krise nicht richtig zu managen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach ihm zwar erst kürzlich sein Vertrauen aus. Unter anderem bei Elternverbänden steht Piazolo aber in der Kritik. „Was hat er denn den Sommer über gemacht?“, meint der Vorsitzende des Bayerischen Elternverbands (BEV), Martin Löwe. „Es mangelt am Grundverständnis dafür, dass die Corona-Krise keine schnell vorübergehende Situation ist.“

Wie viele Lehrer und Schüler Mebis nutzen, ist unklar. Stichproben aus dem Frühjahr, die das Kultusministerium auf eine Anfrage Fischbachs durchführte, kamen auf 177 000 Personen pro Tag.

In der Not wies Piazolos Ministerium die Lehrer gestern an, Arbeitsaufträge schon am Nachmittag oder Abend einzustellen. Schüler sollten „nach Jahrgangsstufen gestaffelt“ auf Mebis zugreifen, heißt es in einem Rundschreiben. Also die erste Gruppe um 8 Uhr, die nächste um 8.30 Uhr. Ziel sei, „die Nutzbarkeit des Systems weiter zu verbessern“ – sprich: noch einen Totalausfall zu verhindern. M. MÄCKLER/D. WALTER

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