München – Corona-Schnelltests gelten als Eintrittskarte fürs Familienfest. Viele Menschen aus der Region wollen sie kurz vor Weihnachten nutzen, um beruhigt feiern zu können. Doch Experten warnen davor, die Aussagekraft sogenannter Antigen-Tests zu überschätzen. „Sie sind zwar eine wichtige Waffe im Kampf gegen Corona – vor allem, um Bewohner und Personal von Pflegeheimen besser zu schützen. Aber sie können auch trügerische Sicherheit vermitteln“, sagt der erfahrene Münchner Internist und Sportmediziner Dr. Karlheinz Zeilberger, der bereits hunderte Patienten auf das Sars-Cov2-Virus getestet hat. Wir erklären, was man über die Tests wissen muss.
Knackpunkt Nummer 1: die geringere Zuverlässigkeit
Schnelltests liefern bereits in 20 Minuten ein Ergebnis, sind aber nicht so zuverlässig, sagt der Chefinfektiologe der München Klinik Schwabing, Professor Clemens Wendtner. „Antigen-Schnelltests schlagen vor allem bei bereits bestehenden Symptomen an und können sinnvoll sein, um Erkältungssymptome einzuordnen. In der aktuellen Situation würde ich aber dringend davon abraten, mit Fieber und trockenem Husten die Verwandten zu besuchen – negativer Schnelltest hin oder her.“
Knackpunkt Nummer 2: Qualitäts-Unterschiede
Die Zuverlässigkeit eines Tests wird mit den beiden Begriffen Spezifität und Sensitivität bewertet. Dabei steht die Sensitivität praktisch für die Erkennungsrate. Sie beziffert, wie viel Prozent der Infektionen tatsächlich nachgewiesen werden. Die Spezifität gibt – vereinfacht erklärt – die Fehlerquote an. Sie beschreibt, wie viel Gesunde fälschlicherweise als infiziert bewertet werden. Eine Spezifität von 95 Prozent bedeutet, dass fünf von 100 Getesteten irrtümlich ein positives Ergebnis erhalten. „Gerade bei der Sensitivität sind die Unterschiede der Schnelltests enorm“, sagt Zeilberger.
Inzwischen umfasst die Liste der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zugelassenen Tests 312 Varianten – im Internet auf der Seite bfarm.de abrufbar (siehe Tabelle). Die Sensitivität hat eine Bandbreite von 98 bis 84 Prozent. „84 Prozent bedeutet, dass 16 von 100 Corona-Fällen nicht erkannt werden“, rechnet Zeilberger vor.
Knackpunkt Nummer 3: der Zeitpunkt des Tests
„Schnelltests sind nur für maximal 24 Stunden aussagekräftig“, warnt Wendtner. „Wer Montag oder Dienstag den Test macht und am Donnerstagabend zu Verwandten fährt, müsste den Test am Donnerstagvormittag zur Sicherheit wiederholen.“ Der Hintergrund: Antigen-Schnelltests schlagen mitunter nicht an, wenn die Virenlast, also die Menge der Viren im Körper, noch vergleichsweise gering ist. „Wenn man sich noch in der Inkubationszeit befindet, also der Phase, in der die Erkrankung am Ausbrechen ist, kann das Ergebnis fälschlicherweise negativ ausfallen“, sagt Zeilberger. „Aber schon am nächsten Tag kann es ganz anders aussehen.“
Knackpunkt Nummer 4: die Fallstricke beim Testen
Als Otto-Normal-Verbraucher kann man die Schnelltests nicht kaufen, die Apotheken dürfen sie nur medizinischem Fachpersonal aushändigen. Diese Sicherheitsmaßnahme ist nicht ganz unbegründet. Zum einen stehen nach wie vor nicht genügend Tests zur Verfügung. Zum anderen tun sich Laien oft schwer, den nötigen Abstrich vorzunehmen. „Um auf Nummer sicher zu gehen, dass man potenziell vorhandene Viren auch wirklich erwischt, sollte man sowohl im Rachen als auch in der Nase Material entnehmen“, erklärt Zeilberger. „Die Herausforderung besteht darin, das Wattestäbchen etwa fünf Zentimeter tief ins Nasenloch hinein zu schieben – und im Rachen so weit, bis ein leichter Würgereflex einsetzt.“ Doch das traut sich nicht jeder zu und schiebt deshalb das Stäbchen nur leicht in Mund und Rachen. „Diese Zurückhaltung kann den Test wertlos machen“, warnt Zeilberger.
Nach der Entnahme ist Sorgfalt nötig: Man muss das Stäbchen in ein Röhrchen mit einer Flüssigkeit stecken, umrühren und anschließend einige Tropfen auf ein Kunststoffkästchen träufeln – ähnlich wie bei einem Schwangerschaftstest. Zeilberger sagt: „Auch bei diesem Schritt gilt: Wenn man ihn nicht exakt ausführt, ist die Aussagekraft zumindest zweifelhaft.“