Berlin – Vermutlich befindet sich die in Großbritannien und anderen Ländern nachgewiesene Mutation des Coronavirus bereits in Deutschland: Die Wahrscheinlichkeit, dass die Mutation unerkannt in Deutschland sei, sei „sehr, sehr hoch“, sagte der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, gestern in Berlin. Sowohl Wieler als auch der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech erwarten aber, dass die gerade zugelassene Impfung gegen das Coronavirus trotz der Mutation funktioniert.
Angesichts der weiterhin kritischen Lage ruft das RKI alle Bürger eindringlich dazu auf, über Weihnachten Kontakte zu vermeiden. „Wir befürchten, dass sich durch die Feiertage das Infektionsgeschehen noch weiter anspannen könnte“, sagte Wieler. Er bat: „Reisen Sie nicht.“ Wenn möglich, solle man einfach zu Hause bleiben und die Festtage im kleinsten Kreis verbringen. Derzeit verschlechtere sich die Situation weiter. „Wenn wir die Zeit des Lockdowns durch unsere Achtsamkeit optimal nutzen, dann bringen wir die Zahlen schneller runter.“ Die Zahl der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen stieg laut RKI im Bundesschnitt nochmals auf den Höchstwert von 198. Aktuell liegen allein sechs Länder auf oder über der Marke von 200, darunter Sachsen mit 427. Bund und Länder wollen unter 50 kommen.
„Tatsächlich stehen uns einige schwere Wochen bevor. Wir sollten sie nicht noch schwerer machen“, sagte Wieler. Dass noch Tausende reisten, auf Flughäfen in Reihe stünden und sich drängelten, sei für ihn „schwer nachvollziehbar“. Das Virus komme in allen Altersgruppen und überall in Deutschland vor. In vielen Altenheimen gebe es schwere Ausbrüche mit Todesfällen. Manche Kliniken müssten Notprogramme fahren, um alle Akutpatienten behandeln zu können. Ärzte und Fachpersonal fielen wegen Corona aus.
Er sei glücklich, dass kurz nach Weihnachten erste Impfungen kommen könnten, sagte Wieler. Dies werde jedoch erst einmal nichts an der Gesamtsituation ändern. Es werde noch lange dauern, bis die Mehrheit geimpft sei. Umso wichtiger sei es, die Infektionszahlen zu senken und niedrig zu halten, „damit wir im neuen Jahr so bald wie möglich ein gewisses Maß an Normalität wieder erlangen können“. Nach der erfolgten EU-Zulassung sollen erste Auslieferungen des Impfstoffs des Mainzer Unternehmens Biontech an diesem Mittwoch starten. Deutschland soll am Samstag die erste Lieferung bekommen, und zwar mit 151 125 Dosen. dpa