Garmisch-Partenkirchen – Er ist der Chef im Skiclub Partenkirchen. Seit 2007 gibt Michael Maurer den Ton an bei dem Club, der dem deutschen Wintersport schon Größen wie Biathletin Laura Dahlmeier oder die Alpinstars Felix Neureuther oder Maria Höfl-Riesch beschert hat. Auch beim Neujahrsspringen auf der spektakulären Olympiaschanze laufen eigentlich alle Fäden bei dem 49-Jährigen zusammen. In diesem Jahr ist, wie so vieles, auch das ganz anders: Wegen zwei Corona-Erkrankungen in seiner Familie ist Maurer in Quarantäne und wird die 69. Auflage des Springens verpassen. Doch auch für diesen Fall ist man in Partenkirchen natürlich gerüstet, wie Maurer im Interview erklärt.
Herr Maurer, Sie sind gerade in Quarantäne, weil unter anderem Ihre Frau positiv auf das Coronavirus getestet wurde. Sie werden auch selbst nicht beim Neujahrsspringen vor Ort sein. Das passt zu diesem seltsamen Jahr, oder?
Ja, es ist lange her, dass ich nicht dabei war. Ich bin ja alleine schon seit 2007 Präsident, war vorher schon Vizepräsident. Aber mei, das zeigt halt auch, dass es trotz bester Konzepte passieren kann. Weil es halt auch immer Kontaktflächen gibt. Bei der deutschen Mannschaft ist es jetzt ja nicht anders. Obwohl die schon sehr gut aufgepasst hat, wahrscheinlich am besten im ganzen Weltcup, hat es den Karl Geiger getroffen.
Und bei Ihnen also den Chef.
Ja, aber das ist jetzt auch nicht so tragisch. Wenn wir noch Entscheidendes zu organisieren hätten, dann hätten wir ohnehin ein Problem. Unsere operative Arbeit passiert viel früher. Und man kann ja auch über die digitalen Plattformen oder über das Telefon kommunizieren. Und wenn es wirklich etwas Wichtiges zu unterschreiben gibt, dann habe ich den Vorteil, dass ich nicht weit weg von der Geschäftsstelle wohne. Da kann auch jemand das Papier bei mir vor die Türe legen und ich unterschreibe es dann. Aber wir haben im Skiclub auch eine gute Struktur entwickelt. Wir haben in wichtigen Bereichen Stellvertreter, die als Back-up zu Hause sitzen. Das ist viel Aufwand, aber letztlich muss man es so sehen: Es ist ein Privileg, dass wir überhaupt so eine Großveranstaltung durchführen können.
Gab es auch Zweifel, dass die Veranstaltung sogar komplett ins Wasser fallen könnte?
Natürlich. Ich war mir bis zuletzt nicht sicher. Ich habe gute Verbindungen in die Staatskanzlei. Als der Lockdown gekommen ist, habe ich dort nachgefragt. Der hat mir lange nicht geantwortet. Da habe ich mir gedacht: auweia. Aber nun wird es ja klappen. Auch wenn wir uns alle einig sind, dass wir alle froh sein werden, wenn an Neujahr um 16 oder 17 Uhr alles vorbei sein wird.
Wie groß ist die Angst, dass Garmisch-Partenkirchen durch Positivfälle in Erinnerung bleiben wird?
Natürlich befasst man sich damit. Bei uns wird ja auch getestet, auch wenn man das ja eher für den nächsten Ort tut. Wir müssen mit den Ergebnissen von Oberstdorf arbeiten. Aber alleine das Konzept für einen Positivfall ist aufwendig. Du musst den entsprechenden Menschen sofort isolieren, dann brauchst du einen zweiten Test. Das sind die Dinge, mit denen wir uns befassen müssen.
Zermürbt es, wenn nur die Pandemie und nicht der Sport alles bestimmt?
Ja, schon. Es ist wirklich seltsam, dass die sonst dominierenden Themen jetzt ein totaler Randaspekt sind. Wie der Kunstschnee. Stattdessen geht es nur um Hygiene, Masken, Handschuhe, Abstand… aber das ist jetzt so. Hoffen wir das Beste, dass wir uns im nächsten Herbst wieder mit dem Sport befassen können.
Und vor allem mit Zuschauern. Sie waren das erste Tourneespringen, das ohne Publikum geplant hat. Warum?
Das stimmt. Den Entschluss hatten wir schon im Sommer. Wir hatten uns im Juli zum ersten Mal wieder getroffen, da haben die österreichischen Kollegen noch von 10 000 Zuschauern geträumt. Jetzt läuten sie den dritten Lockdown ein. Uns hat das Gesundheitsamt gesagt: Warum haltet Ihr Euch nicht 2500 Zuschauer offen? Das macht bei uns überhaupt keinen Sinn. Wir brauchen ja unheimlich viele Zusatzeinrichtungen, weil unser Stadion so alt ist. Alleine die Tribüne amortisiert sich erst bei einer Auslastung von 50 bis 60 Prozent.
Die Gesamtkalkulation dürfte trotzdem nicht erfreulich aussehen.
Na ja, zumal du durch die Hygienekonzepte ja einige neue Kosten bekommst. Alleine die Mannschaften musst du jetzt ja weitgehend in Einzelzimmern unterbringen, was durch uns finanziert wird. Aber man spart schon durch diese Dinge, auch durch die Security, die du nicht in diesem Ausmaß brauchst. Auch andere Bereiche fallen weitaus kleiner aus. Medien liegen vielleicht bei einem Drittel des sonstigen Umfangs. Der Bayerische Rundfunk beispielsweise kommt statt mit 40 bis 45 dieses Mal nur mit fünf Leuten. Alles ist reduziert. Auch wir haben statt sonst 300 Leuten nur rund 150 im Einsatz.
Lassen sich die Einbußen schon beziffern?
Alleine durch die Tickets geht uns gut eine halbe Million Euro verloren. Aber gut: Wenn wir Gelder aus den November- und Dezemberhilfen des Bundes bekommen sollten, dann ist unser Betrieb gesichert. Dafür machen wir das ja letztlich. Wir sind ein großer Verein mit mehreren Sparten. Wir beschäftigen auch hauptamtliche Kräfte wie Trainer. Die würde ich gerne bald wieder aus der Kurzarbeit holen, dass sie die Arbeit wieder vollwertig machen können, Aber es ist jetzt halt so. Jetzt hoffen wir erst mal auf ein schönes Neujahrsspringen.
Das immerhin ein Fernseherlebnis ist.
Und so muss man das sehen. Wir bieten den Menschen zu Hause in dieser schwierigen Zeit eine schöne Unterhaltung.
Interview: Patrick Reichelt