„Wir hätten vielleicht keine Weltkriege erlebt“

von Redaktion

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Der Münchner Hubert Dorn (65) war zehn Jahre Vorsitzender der Bayernpartei, die sich für die Eigenstaatlichkeit Bayerns einsetzt. Der Historiker erzählt im Interview, wieso Bayern 1871 seine Eigenständigkeit aufgab, welche Folge dieses Handeln hatte – und wie Bayern heute aussehen könnte, wenn es anders gekommen wäre.

Herr Dorn, wieso sind die Bayern 1871 dem Kaiserreich beigetreten?

Teilweise aus der Not heraus, teilweise, weil sie wollten. Die politische Situation hat einen anderen Weg fast unmöglich gemacht. Preußen war mit einer unglaublichen Militanz in Europa unterwegs. Die Folge, wenn Bayern dem Kaiserreich nicht beigetreten wäre, wäre ein preußischer Einmarsch gewesen. Die Frage war damals, wie weit Bayern seine eigene Staatlichkeit in einem größeren Rahmen noch behaupten kann.

Konnte Bayern – trotz Kaiserreich – seine Eigenstaatlichkeit behalten?

Wenn man ehrlich ist, ist das nur noch in der Fassade gelungen. Es war das Ende der bayerischen Eigenstaatlichkeit. Bayern konnte keine eigenständige Politik mehr führen. Die Reservatrechte, die größeren Staaten zustanden, waren nur nach außen gerichtete Schaufenstergeschichten. Zu diesen Sonderrechten zählten die eigene Post, Eisenbahn und Armee, wobei letztere im Kriegsfall dem Kaiser unterstand. Eigentlich war das damals kein Föderalismus, denn man hat den Bayern ein paar Zuckerl gegeben, um den Eintritt zu erleichtern. Das ändert aber nichts daran, dass es das restlose Ende einer bayerischen eigenständigen Politik gewesen ist.

Hat der damalige König Ludwig II. versagt, indem er dieses Ende nicht verhindert hat?

Ludwig II. war alles andere als ein politischer Mensch. Ich würde nicht sagen, dass er versagt hat, aber er hat zumindest die Möglichkeiten nicht ausgeschöpft, die er gehabt hätte. Auf der anderen Seite muss ich sagen: Es gab keine Alternative. Das hat auch ein großer Teil Bayerns so gesehen.

Wie sähe Bayern heute aus, wenn es immer noch eigenständig wäre?

Da kann man natürlich spekulieren. Aber die Entwicklung Europas wäre ganz anders verlaufen. Wir hätten wahrscheinlich, wenn es zu keiner Reichsgründung gekommen wäre, keinen Ersten Weltkrieg erlebt. Und damit vielleicht auch keinen Zweiten. Das wäre ein interessanter Ansatz gewesen, der weit über Deutschland hinaus Konsequenzen gehabt hätte und der vielleicht zu einer anderen Entwicklung des 20. Jahrhunderts geführt hätte.

Interview: Laura Forster

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