München – Der Parteichef muss nicht automatisch auch Kanzlerkandidat werden, sagte Ralph Brinkhaus, 52, unlängst – und jagte den drei Bewerbern für den CDU-Vorsitz den Schrecken in die Glieder. Im Interview spricht der Unions-Fraktionschef im Bundestag über den CDU-Parteitag am Wochenende, Corona-Versäumnisse und einen Kanzlerkandidaten Söder.
Herr Brinkhaus, die CDU hat fast ein Jahr Kandidaten-Zirkus hinter sich. Sie machen sicher drei Kreuzzeichen, wenn der Parteitag vorbei ist …
Wir sind alle heilfroh, wenn das erledigt ist und wir einen neuen Vorsitzenden haben. Es ist übrigens gute Tradition bei der CDU, dass sich nach der Wahl alle hinter dem neuen Vorsitzenden vereinen – dann können wir gemeinsam in der Sache weiterarbeiten. Gerade in Corona-Zeiten gilt: die Fragen um den neuen Vorsitzenden klären und dann zügig wieder volle Aufmerksamkeit auf die Bewältigung der Pandemie.
Nur zur Sicherheit: Treten Sie spontan an?
Nein.
Merz, Laschet, Röttgen –welchem Bewerber drücken Sie die Daumen?
Der neue Parteichef muss zu unserem Wertegerüst als Partei der Mitte passen, er muss die CDU zusammenhalten und vereinen. Das erwarten die Menschen von uns, und das traue ich explizit allen Dreien zu. Vor allem muss er glaubhaft machen, dass er sich um die CDU mit all ihren Landes- und Kreisverbänden kümmert und den Vorsitz nicht nur als Durchgangsstation fürs Kanzleramt betrachtet.
Sie haben das Feld geöffnet und gesagt, die Kandidatur müsse nicht unbedingt an den CDU- oder CSU-Chef gehen. An wen haben Sie sonst gedacht?
Wir haben viele hervorragende Frauen und Männer in unseren Reihen mit tollen Ideen, was man aus den Zwanziger Jahren machen kann.
Wir helfen mal nach: Markus Söder hat kürzlich Sie und Jens Spahn ins Spiel gebracht. Interesse?
Markus Söder schätze ich und finde es wirklich beeindruckend, wie er in der Pandemie immer wieder Führung übernimmt – wie jetzt bei der FFP2-Maskenpflicht in Geschäften und im öffentlichen Nahverkehr. Wir stehen beide für eine sehr konsequente Linie in der Pandemiebekämpfung, mich verbindet in der Sache also einiges mit ihm. Dabei belassen wir es.
Jens Spahn soll in der Partei seine Machtchancen ausgelotet haben. Hat er Sie auch angerufen?
Wir reden ständig miteinander. Dabei haben wir mit der Gegenwart genug zu tun. Und das sind insbesondere alle Fragen um Corona.
Dann anders herum: Wäre Deutschland bereit für einen CSU-Kanzler Söder?
Also ehrlich gesagt: Die Zeiten haben sich ziemlich geändert in den letzten 20, 30 Jahren – natürlich wäre das möglich. Wir müssen uns sehr genau in die Augen schauen und fragen: Wer hat die besten Chancen? Das Gesamtpaket muss stimmen.
Wie ist der Zeitplan für die Kandidatenkür?
In den ersten ein, zwei Wochen nach Ostern sollten wir uns festgelegt haben. Ich fand es nicht klug von der SPD, so früh einen Kandidaten zu benennen, weil ich glaube: Erfolgreiche Kampagnen sind kurz und knackig. Aber auch nicht zu kurz. Sechs Monate brauchen wir schon dafür.
Markus Söder will über eine Corona-Impfpflicht für Pfleger diskutieren und erntet viel Kritik. Wie stehen Sie dazu?
Ich finde es gut, dass er die Debatte angestoßen hat. Unabhängig davon, wie man das bewertet. Um in der Lage zu sein, die Pandemie und ihre Auswüchse wirkungsvoll zu bekämpfen, muss der überwiegende Teil der Bevölkerung geimpft sein. Auch wenn wir noch keine belastbaren Zahlen zur Impfquote unter Pflegekräften haben, ist es ganz richtig, dass wir darüber sprechen.
Sie haben die Regierung offen für Probleme in der Corona-Politik kritisiert, etwa mit Blick auf Pflegeheime und Impfungen. Hat Ihr Donnerwetter gewirkt?
Ich stehe eigentlich nicht für Donnerwetter, sondern für konstruktive Sachpolitik. Deshalb habe ich auch bereits Ende November erneut darauf hingewiesen, dass wir Nachholbedarf bei den Pflegeheimen haben – und wenn ich mir die Todeszahlen insbesondere bei den Hochbetagten angucke, hat sich zu wenig getan. Wir können nicht warten, bis alle durchgeimpft sind, sondern müssen jetzt dringend nacharbeiten.
Wie konkret?
Flächendeckend und ohne Ausnahme Schnelltests und Masken. Der Bund hat das Geld für diese Schnelltests und auch für Masken bereitgestellt und bietet Personal zur Unterstützung an. Die Bundeswehr ist ganz aktuell mit zusätzlichem Personal dabei. Die Hilfen müssen allerdings auch angefordert werden, die finanziellen Mittel müssen genutzt werden. Die Umsetzung muss kontrolliert werden. Das ist die Verantwortung vor Ort.
Gibt es einen Lockdown bis Ostern oder ziehen Sie als Wirtschaftspolitiker vorher die Notbremse?
Vorrang haben immer die Menschen und ihre Gesundheit. Deswegen wird dieser Lockdown so lange dauern, wie es nötig ist. Statt Versprechungen zum Lockdown-Ende braucht es klare Ansagen für den Einzelhandel, aber auch für die Schulen. Wir sollten zum Beispiel über eine Verkürzung der Ferien und Garantien für Abschlussklassen sprechen. Auch der Distanzunterricht läuft zu oft noch zu ruckelig. Eine führende Industrienation muss es hinkriegen, Schüler für einen Übergangszeitraum über digitale Plattformen zu unterrichten.
Was gibt es zuerst: Das Lockdown-Ende oder den Unions-Kanzlerkandidaten?
Wir werden in den nächsten Wochen bestimmt nicht den Punkt erreichen, an dem in Sachen Corona alles wieder gut ist. Es wird bestenfalls ein Herausgleiten aus dem Lockdown geben, etappenweise, mit punktuellen Lockerungen. Aber manche Maßnahmen werden bis weit in den Sommer gelten. Und dass im August wieder 70 000 Menschen in Dortmund oder München im Fußballstadium jubeln, sehe ich aktuell nicht.
Zusammenfassung: M. Mäckler