München – Stephan Bierling ist Professor für transatlantische Beziehungen an der Universität Regensburg. In seinem Buch „America First. Donald Trump im Weißen Haus“ hat er die Politik des scheidenden US-Präsidenten und dessen Verhältnis zu Deutschland und Europa analysiert. Dieses werde sich Joe Biden bessern, sagt er. Aber Probleme bleiben.
Herr Bierling, kurz vor der Amtsübergabe kündigte die US-Regierung Sanktionen wegen der Pipeline „Nord Stream 2“ an. Wird Joe Biden zurückrudern?
In dieser Frage dürfte sich nicht viel ändern. Schon Obama war, wie fast alle europäischen Staaten, gegen das Projekt. Biden ist da inhaltlich nicht weit weg von Trump.
In welchen Fragen ist nach den Trump-Jahren eine Kehrtwende zu erwarten?
Noch heute wird Biden die USA ins Pariser Klimaabkommen und die Weltgesundheitsorganisation zurückführen. Auch strebt er Gespräche zur Abrüstung mit Russland und zum Atomdeal mit dem Iran an. Amerikanische Truppen bleiben in Deutschland. Das sind niedrig hängende Früchte, aber da ist Biden auf europäischer Linie.
In welchen Fragen wird es komplizierter, eine gemeinsame Linie zu finden?
Im Verhältnis zu China etwa. Da hat die EU den Amerikanern erst jüngst eine Ohrfeige verpasst, als sie sich mit Peking überhastet auf ein Investitionsabkommen einigte. Hier wäre eine Absprache mit den USA möglich und richtig gewesen.
Auch unter Biden werden die USA nicht nur an „Nord Stream 2“, sondern auch an anderen zentralen Forderungen festhalten?
Ja. Bei der Forderung an Berlin, die zugesagten zwei Prozent der Wirtschaftsleistung für Verteidigung auszugeben und ihren gigantischen Handelsbilanzüberschuss abzubauen.
Womit könnte Deutschland zu besseren Beziehungen beitragen?
Mit dem Abkommen mit China ist der Optimalstart schon versemmelt. „Nord Stream 2“ zu begraben, wäre ein gutes Signal. Deutschland könnte auch Schritte unternehmen, seine Handelsbilanz ins Lot zu bringen. Das heißt nicht, dass man Exporte abschwächen soll, sondern, dass man Importe anregt durch Investitionen in Infrastruktur oder Steuersenkungen.
Wird sich unter Biden die amerikanische Art, Politik gegenüber Europa zu machen, wieder ändern?
Ganz bestimmt. Trump hat Europa spalten wollen. Biden versteht, dass ein starkes, geeintes Europa wichtig als Partner für Washington ist. Doch Deutschland und die anderen Europäer knicken vor China ein. So trifft die Bundeskanzlerin den Dalai Lama nicht mehr. Wir werden unter diplomatischem Dauerdruck der USA bleiben, sich ihrem China-Kurs anzuschließen.
Sie sehen weiter Differenzen, glauben aber, das Verhältnis wird besser …
Atmosphärisch ganz sicher. Biden kennt Merkel und andere Staatschefs aus seiner Zeit als Vize-Präsident unter Obama. Er saß lange Zeit dem außenpolitischen Ausschuss des Senats vor. Man wird wenige Politiker in den USA finden, die pro-europäischer sind als er. Und Europa wird wieder kompetente Ansprechpartner haben. Trump hatte viertklassiges Personal und funkte dem auch noch dazwischen. Gute Leute wurden vertrieben, das Außenministerium blutete aus. Das zu heilen, wird dauern. Ein Jahr ist eine optimistische Prognose.
Interview: Stefan Reich