Sollen sich Politiker öffentlichkeitswirksam impfen lassen – oder erzeugt das Neid und Missgunst? Die Patientenbeauftragte der Bundesregierung und Herzspezialistin, Prof. Claudia Schmidtke (CDU), spricht im Interview über Vorbildfunktion, über Knappheit und Sicherheit von Vakzinen.
Haben Sie sich selbst bereits impfen lassen?
Nein, leider nicht. Ich bin noch nicht an der Reihe. Aber wenn es so weit ist, werde ich mich natürlich impfen lassen.
In anderen Ländern lassen sich Spitzenpolitiker, etwa Joe Biden, medienwirksam impfen. Warum geschieht das in Deutschland nicht?
Ich wünsche mir auch, dass mehr Persönlichkeiten gezeigt werden, die sich impfen lassen. Allerdings brauchen wir eine solche Form der Impfkampagne vor allem, wenn es darum geht, breite Bevölkerungsschichten für die Herbeiführung einer gesellschaftlichen Immunität zu erreichen.
Lassen sich Kanzlerin, Bundespräsident und andere nicht vor laufenden Kameras impfen, weil das die Kritik provozieren könnte: „Die da oben“ sind dran, aber wir warten?
In der derzeitigen Phase der Impfmittelknappheit würden es sogar viele Politiker unanständig finden, sich mit dem knappen Impfstoff zunächst selbst zu versorgen. Die Frage stellt sich jedoch gar nicht, weil die Empfehlungen der Ständigen Impfkommission, der Leopoldina und des Ehtikrates die Grundlage für die Impfverordnung sind. Dort wird nur ein kleiner systemrelevanter Anteil der Politik in einer der Prioritätsklassen eingeordnet. Die Impfbereitschaft unter meinen Kollegen im Bundestag ist grundsätzlich sehr groß.
Nach den derzeitigen Debatten könnte man fast den Eindruck haben, dass ausgerechnet in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen die Vorbehalte in Bezug auf das Impfen groß sind. Stimmt das?
Ich glaube, dass die Impfbereitschaft in Deutschland grundsätzlich zu gering ist. Das haben wir auch den oft unwissenschaftlichen Debatten der letzten Jahre zu verdanken, bei denen zu viel unwidersprochen geblieben ist. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich habe großes Verständnis für kritische Zurückhaltung bei jeder Therapie, natürlich gilt das auch bei einem mRNA-Impfstoff, der zwar so noch nie zur Anwendung kam, allerdings auch nicht spontan erfunden wurde. Das Konzept des Wirkungsmechanismus wurde bereits vor dreißig Jahren beschrieben und seither weiterentwickelt. Eines ist klar festzuhalten: Die uns in Deutschland zur Verfügung stehenden Impfstoffe haben den Goldstandard der Zulassung durchlaufen und sind mittlerweile bereits millionenfach verimpft worden, ohne dass schwerwiegende Nebenwirkungen aufgetreten sind. Das ist ein sehr sicheres Verfahren. Und eines ist die Impfung zweifelsohne: Besser als die Krankheit.
Interview: Reinhard Zweigler