München – Die Eroberung des Alls läuft gerade auf Hochtouren. Mitte Februar soll der Nasa-Rover „Perseverance“ auf dem Mars landen. Es gibt aktuell eine chinesische Mars-Mission, die schwerreichen Vereinigten Arabische Emirate mischen neuerdings kräftig mit – als erste arabische Nation haben sie eine 1350 Kilogramm schwere Raumsonde gen Mars losgeschickt. Eine Mondmission soll folgen. Die Russen wollen bis 2040 eine Raumstation auf dem Mond errichten.
Und dann sind da ja noch private Unternehmen, die alles aufmischen. Erst diese Woche haben sich Elon Musk und Jeff Bezos, also die beiden reichsten Männer der Welt, auf Twitter gezofft. Beiden haben Raumfahrtfirmen („SpaceX“ und „Kuiper“) – gerade streiten sie um die besten Umlaufbahnen für ihre Internet-Satelliten. Musk will seine Satelliten näher zur Erde fliegen lassen, Bezos ist dagegen. Im All ist gerade der Teufel los. Es ist ein guter Moment zu erklären, wer was darf – und warum die Raumfahrt gerade wieder aufblüht.
Gibt es eine Regelung, wer was im Weltall beanspruchen darf?
Auch im All gelten Gesetze. Und die sind im Weltraumvertrag festgehalten. Rund 100 Nationen haben diesen „Outer Space Treaty“ im Jahr 1967 unterschrieben – während sich die USA und die Sowjetunion einen Wettlauf zum Mond geliefert haben. Der Vertrag sollte eine friedliche Nutzung des Weltalls garantieren. „Er besagt, dass sich keine Nation oder ihre Bürger Eigentum am Mond oder irgendeinem Himmelskörper aneignen darf“, sagt Ulrich Walter. Der ehemalige Wissenschaftsastronaut leitet den Lehrstuhl für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München.
Darf man im All Ressourcen abbauen?
„Das ist mit dem Vertrag nicht klar geregelt“, sagt Ulrich Walter. „Es wird viel diskutiert, was genau eine Aneignung von Himmelskörpern bedeutet. Die USA und Luxemburg sagen beispielsweise: Wir wollen uns ja dort keine Grundstücke aneignen, sondern nur Rohstoffe abbauen.“ Vergangenes Jahr haben die beiden Länder auch eine gemeinsame kommerzielle Nutzung des Weltraums vereinbart – Kritiker halten das allerdings bereits für vertragswidrig. Luxemburg hat außerdem eine Weltraumagentur gegründet, die den Weltraum-Bergbau regeln soll.
Gibt es im All viele Bodenschätze?
In den USA und in Luxemburg gibt es bereits Firmen mit Plänen, Edelmetalle wie Rhodium, Palladium, Platin, Iridium oder Gold im All zu fördern. Walter zweifelt aber daran, ob es dort wirklich wertvolle Rohstoffe in größeren Mengen gibt. „Und selbst wenn dem so wäre, machen wir folgendes Gedankenspiel: Nehmen wir an, der Mars bestünde aus reinem Gold – was bei Weitem nicht der Fall ist, wie wir wissen. Man könnte bei einer Abbaumission vielleicht 500 Kilo mit auf die Erde bringen, und damit wäre die Kapsel schon zu schwer.“ Eine Mission zum Mars würde rund zwei Milliarden Euro kosten, der Goldpreis liegt bei rund 50 000 Euro das Kilo. „Man würde bei Verkauf also höchstens 25 Millionen Euro bekommen.“ Dazu kommt: Sobald man auf einen Schlag zusätzlich 500 Kilo Gold auf den Markt bringt, würde der Goldpreis in die Tiefe rauschen.“
Was steckt dann hinter dem Milliardenmarkt in der Raumfahrt?
In erster Linie Satelliten. Mehr als 2000 umrunden die Erde, und in den nächsten Jahren sollen weitere Tausende hinzukommen. Tesla-Chef Elon Musk hat mit seiner Firma SpaceX im vergangenen Jahr 900 Stück in den Weltraum geschossen – und für 12 000 hat er bereits eine Genehmigung. Mit ihnen will er ein Breitband-Netz aufbauen, mit dem es an jedem Ort auf der Welt Internet geben soll. Amazon-Gründer Jeff Bezos hat mit seinem Unternehmen „Blue Origin“ ähnliche Pläne.
Satelliten sind aber auch für Landwirtschaft, Klimaforschung und Navigationssysteme nützlich. „Mit Satelliten bekommt man Informationen, die wir sonst nicht bekommen würden“, erklärt Walter. „Ohne sie hätten wir keine Informationen über den Klimawandel – etwa darüber, wie viel Eis es in Grönland gibt und wie stark der Meeresspiegel steigt. Satelliten können das auf den Zentimeter messen.“ Bei Katastrophen könnten die Daten sogar Leben retten: „Durch Satelliten lassen sich weltweit genaue Höhenkarten erstellen – damit kann man zum Beispiel vor einer Überflutung genau berechnen, welche Häuser in Gefahr sind.“
Welche Staaten sind vorne dabei?
Die Zeiten, in denen nur die USA und die Sowjetunion um den Weltraum stritten, sind vorbei. Auch China und Indien haben inzwischen fortgeschrittene Weltraumprogramme, sagt Ulrich Walter. „Vor allem Entwicklungsländer glauben an die Raumfahrt, denn da sieht man eher das Potenzial für eine bessere Zukunft.“ Etwa in der Landwirtschaft: Mit Satelliten könne man zum Beispiel jeden Tag auf den Quadratmeter genau sehen, wo Getreide reif ist und wo gedüngt werden muss. „In Deutschland haben wir dafür bereits eine gute Infrastruktur, in Indien aber nicht. Deshalb sind wir hier noch skeptisch in Sachen Raumfahrt.“
Kann jeder im Weltall mitmischen?
Dahin geht der Trend. Mittlerweile greifen immer mehr private Unternehmen wie SpaceX oder Blue Origin nach den Sternen. Diese Bewegung schreitet vor allem in den USA voran und ist unter dem Begriff „New Space“ (dt.: neuer Weltraum) bekannt. Ihr Ziel: Die Kommerzialisierung des Weltalls. Auch Deutschland möchte nachziehen. Laut Thomas Jarzombek, Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, sind deutsche Start-ups bereits in Aufbruchstimmung (siehe Interview).
Was hat Bayern im Weltraum vor?
Vor gut zwei Jahren hat Ministerpräsident Markus Söder das Raumfahrtprogramm „Bavaria One“ vorgestellt – zu dem auch Ulrich Walter Ideen beigetragen hat. Söder versprach 700 Millionen Euro, um in die Luft- und Raumfahrt zu investieren. Gefördert wird unter anderem das Start-up „Isar Aerospace“, das im September seine Betriebshallen eröffnet hat und schon 2021 die erste Rakete testen will, die Satelliten in den Orbit bringen soll. New Space, ist Walter überzeugt, werde Deutschland langfristig einen riesigen Vorteil bringen.
Welche Rolle spielt die bemannte Raumfahrt?
„Die meisten Menschen denken bei der Raumfahrt sofort an Menschen im Weltall“, sagt Ulrich Walter. „Das ist aber nur ein ganz kleiner Teil der Raumfahrt, der viel Aufmerksamkeit erregt, weil er sich gut im Fernsehen macht. Keiner will Bilder von irgendwelchen Satelliten sehen.“ Er selbst war vor 28 Jahren mit dem Space Shuttle zu Forschungszwecken im All – als sogenannter Nutzlastspezialist hat Walter wissenschaftliche Experimente durchgeführt. „Wir wollten zum Beispiel wissen, wie Pflanzen in der Schwerelosigkeit wachsen. Wenn wir die Biologie im All insgesamt besser verstehen, wissen wir auch, unter welchen Umständen ein Lebewesen überhaupt noch wachsen, leben, sich fortpflanzen kann.“ Mittlerweile wird aber viel über Kosten und Nutzen der bemannten Raumfahrt diskutiert – und ob sich nicht vieles auch mit Robotern durchführen ließe.
Wann können wir den Mars besuchen?
Elon Musk hat angekündigt, schon in vier Jahren Menschen auf den Mars zu schicken. In 20 Jahren soll es nach seinen Plänen sogar schon die erste Stadt auf dem roten Planeten geben.
Walter glaubt nicht an eine Kolonialisierung in naher Zukunft: Man würde durch Reisen zum Mars das Planetensystem besser verstehen – „aber warum sollte man da leben wollen?“ Ein Hinflug dauere allein sieben Monate. „Deshalb glaube ich auch nicht, dass es viel Tourismus auf dem Mars geben wird.“
Anders soll es aber mit Reisen zum Mond aussehen, die nur drei Tage dauern: „Ich denke, dass die Raumfahrt durch Weltraumtourismus mehr Schwung aufnehmen wird. So gibt man jedem die Möglichkeit, durch eigene Augen zu sehen, dass die Erde nichts als ein winziger Fleck im Weltraum ist.“ Er ist sich sicher: Das würde zu einem Bewusstseinswandel führen. „Vielleicht wird es sogar weniger Kriege geben, wenn die Leute auf die kleine Erde schauen und sagen: Wo sind denn da die Grenzen?“