„Wir brauchen dringend klare Verhaltensregeln für den Weltraum“

von Redaktion

INTERVIEW Der deutsche Raumfahrt-Koordinator Thomas Jarzombek über Chancen, rechtliche Hürden und Edelmetalle im All

Während Tesla-Chef Elon Musk plant, in den nächsten Jahren den Mars zu besiedeln, hört man nur wenig über Deutschlands Zukunft im Weltraum. Thomas Jarzombek, Koordinator der Bundesregierung für Luft- und Raumfahrt, will aber nachziehen. Chancen sieht er vor allem in der „New Space“-Bewegung – also in der privaten Raumfahrt.

Herr Jarzombek, welches Potenzial hat die deutsche Weltraumindustrie?

Ein sehr großes. Vor allem, da wir jetzt seit einigen Jahren einen starken Trend zu „New Space“ sehen – früher wurde Raumfahrt nur von Regierungen betrieben. Mittlerweile gehen aber private Akteure, vor allem Start-ups, das Thema Weltall mit einer ganz anderen Herangehensweise an und krempeln den Markt um.

Wie viel gibt Deutschland für die Raumfahrt aus?

Für die zivile Raumfahrt sind es jährlich rund 1,6 Milliarden Euro.

Wie weit sind wir in Sachen „New Space“?

Wir sind Vorreiter in Europa. Das erste menschengemachte Objekt im Weltraum wurde 1944 in Deutschland gebaut, das Aggregat 4. Dann wurde es in V2 umbenannt, mit Sprengköpfen bestückt und von Zwangsarbeitern gebaut. Tausende kamen dabei ums Leben. Ein Teil des dunkelsten Kapitels unserer Geschichte. Am Ende waren Technologie und Ingenieure für Deutschland verloren. Aus dieser Technologie sind dann amerikanische Raketen für den Flug zum Mond entstanden. Jetzt sind wir wieder dabei, richtige Raketen in den Weltraum zu fliegen. Dafür haben wir drei Start-ups, die intensiv daran arbeiten und miteinander im Wettbewerb stehen. Ich bin mir sicher, dass eins oder vielleicht zwei von ihnen global erfolgreich werden können.

Wie wird das finanziert?

Wir fördern die Unternehmen zu Beginn mit einer halben Million Euro pro Firma. Daraus müssen die Start-ups ihre Entwicklung selbst vorantreiben und auch die weitere Finanzierung organisieren. Wir machen also keine konkreten Vorgaben für den Bau, sondern kaufen den ersten Raketenstart ein und eröffnen damit einen Markt. Der Steuerzahler geht dadurch weniger ins Risiko.

Gibt es dafür einen rechtlichen Rahmen? Oder kann jeder einfach ins All aufbrechen?

Wir beraten schon lange mit dem Finanzministerium über ein nationales Weltraumgesetz. Dabei geht es vor allem um die Frage der Haftung – denn die liegt derzeit völkerrechtlich vollständig beim Staat. Die Frage ist, wie weit die Unternehmen an der Begleichung von möglichen Schäden beteiligt werden sollen. Wir sind uns an diesem Punkt noch uneinig. Wenn wir den Start-ups – unabhängig von ihrem Verschulden – Versicherungspflichten in fünf- oder sechsstelligen Höhen aufdrücken, könnten wir sie ans Ausland verlieren. Das wollen wir im Wirtschaftsministerium vermeiden.

Und was ist mit internationalen Gesetzen? Der Weltraumvertrag „Outer Space Treaty“ ist immerhin schon mehr als 50 Jahre alt.

Ja, der ist mittlerweile in die Jahre gekommen. Der Bund setzt sich beim Weltraumausschuss der Vereinten Nationen für zusätzliche Bestimmungen ein – das Tempo stellt uns aber ehrlich gesagt nicht zufrieden. Das Thema ist sehr wichtig, denn sonst gibt es letztlich Streit, wenn die ersten Länder anfangen, Ressourcen im Weltraum abzubauen – oder das ihren Start-ups erlauben. Ich glaube zwar nicht, dass wir so bald Edelmetalle auf Asteroiden abbauen werden. Aber die Amerikaner planen zum Beispiel eine Raumstation, die um den Mond fliegt. Vielleicht wird es dann auch möglich sein, Wasserstoff auf dem Mond zu produzieren. Und wenn man auf Himmelskörpern eine eigene Infrastruktur aufbaut, nutzt man auch Territorium und eignet sich Ressourcen an. Dafür muss es Regeln geben. Es sind bereits so viele technische Geräte auf dem Mars gelandet, hunderttausende Objekte schwirren um die Erde – auch das Thema Nachhaltigkeit im All ist wichtig. Wir brauchen dringend klare Verhaltensregeln für den Weltraum.

Interview: Kathrin Braun

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