EINE SPURENSUCHE

Wer ist Stephan Ernst?

von Redaktion

Nach dem Lübcke-Prozess bleibt die Frage: Auf welchem gesellschaftlichen Boden konnte dieser Terrorakt gedeihen? Über Stephan Ernst ist bekannt, dass er tief in die rechtsextreme Szene verstrickt war und dort auch den Mitangeklagten Markus H. kennenlernte. Die Szene diskutierte Terrorkonzepte, pflegte Feindeslisten. Der Verfassungsschutz sah Ernst als „abgekühlt“ an, beobachtete ihn deshalb nicht mehr. Auch Ernst sagte vor Gericht, er sei ausgestiegen. Noch im Juni 2011 nahm er aber an einer Sonnenwendfeier beim Neonazi-Funktionär Thorsten Heise teil.

Für seinen rassistischen Hass suchte sich Ernst wohl nur ein neues Umfeld, als er sich ab 2009 als braver Kleinbürger mit Schichtarbeit, Haus und Kindern gab. Etwa in seiner Firma, einem großen Kasseler Industriebetrieb – wo er um 2011 auch H. wiedertraf. Beide bestärkten sich in Vorstellungen von der drohenden Überfremdung, weshalb es geboten sei, sich zu bewaffnen. Ein Kollege sagte vor Gericht aus, er teile Ernsts Ansicht, es dürften nicht zu viele Flüchtlinge nach Deutschland kommen, wie auch dessen Überzeugung, Homosexualität sei „nicht normal“.

Ein zweiter Kollege sagte aus, Ernst habe geäußert, man solle „Volksverräter“ an die Wand stellen und Migranten ins Flugzeug setzen und über dem Mittelmeer rauswerfen. Zwei weitere Kollegen hatten illegale Waffen von Ernst gekauft. Einer sammelte Hitler-Bilder. Ein angesehener Betrieb als Ort rechter Hetze? Auch im Schützenverein eckten Ernst und H. offenbar nicht übermäßig an. Der Vereinsvorsitzende bezeichnete Ernst in einer TV-Doku als „unauffälligen Durchschnittsdeutschen“. Neben dem Schießtraining suchten Ernst und H. die Nähe zur Kasseler AfD. Ernst half bei Plakataktionen, besuchte Stammtische und Kundgebungen.

Gestern sagte Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) in Richtung der AfD: „Für mich haben Sie mitgeschossen.“ Es sei ein Urteil gesprochen worden über einen, „der sich von Ihren Worten angesprochen, von ihren Worten ermuntert gefühlt hat. Der Ihren Worten jene Taten folgen ließ, von denen Sie sich natürlich wieder distanzieren.“

HANNING VOIGTS

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