In der CSU werden sie mitunter nervös, wenn Hubert Aiwanger ans Landtagspult tritt. Oft schon hat der Vize-Ministerpräsident mit dem Ruf nach schnellen Lockerungen den strengen Corona-Kurs konterkariert. Am Donnerstagmorgen wieder. Man müsse „den richtigen Punkt in der vernünftigen Mitte finden“, philosophiert der Chef der Freien Wähler. Und legt sich fest, dass aktuell „eher Öffnungen möglich sind, als alles völlig unverändert geschlossen zu lassen“. Er schlägt vor, erst Handel und Friseure aufzumachen, dann die Lokale.
Aiwanger sagte das oft, wahr wurde es nie. Doch diesmal gibt es Bewegung in der Koalition, eigentlich im ganzen Landtag. Weil just an diesem Morgen die Landeshauptstadt München die 50er-Schwelle unterschritt, wird der Ruf nach Lockerungen lauter. Ministerpräsident Markus Söder will noch bis Mittwoch die Gespräche in Berlin abwarten, will mehr Klarheit über Mutationen. Vorher hätte er gerne Ruhe – aber nicht einmal die CSU hält sich dran. In einer Sitzung der Landtagsfraktion warb nach Informationen unserer Zeitung sogar Ilse Aigner, Chefin der Oberbayern-CSU, für eine neue Strategie. Man brauche einen Indexplan, Lockerungen klar an Bayerns Inzidenzen zu koppeln, sagte sie.
Fraktionschef Thomas Kreuzer widerspricht. Es gebe positive Signale wie in München, aber eben auch fatale Inzidenzen wie in Tirschenreuth, sagt er unserer Zeitung; zudem alarmiert ihn die Lage im Nachbarland Tirol. Kreuzer hält eine Zusicherung, Mitte Februar wieder zu öffnen, deshalb für verfrüht. Er warnt vor Einkaufsströmen in jene Orte, die früher öffnen.
Die Opposition, lange mit im Boot, sieht das anders. Die FDP streitet schon länger dafür, den Handel wieder zu öffnen – „wenn nicht jetzt, wann dann“. Die Grünen sprechen sich für einen regionalen „Perspektivenplan“ aus mit automatischen Kita- und Grundschulöffnungen. Auch SPD-Fraktionschef Horst Arnold sieht den Zeitpunkt für regionale Lockerungen gekommen. „Die bayernweite Ausgangssperre ab 21 Uhr ist unter diesen Voraussetzungen nicht mehr zu rechtfertigen“, sagt der Jurist Arnold. „Der Interventionsaktionismus des Herrn Söder ist durch das Bundesgesetz nicht mehr gedeckt.“ Im eben erst geänderten Infektionsschutzgesetz werde eindeutig der Grenzwert von 50 als Schwelle genannt. Ab da müsse jede Einschränkung besonders begründet werden. cd/mik