Tirol droht die erneute Abriegelung

von Redaktion

Ausbreitung der südafrikanischen Corona-Variante besorgt Experten – Regierung in Wien prüft „alle Optionen“

München – Die Erwähnung des kleinen Ortes im Paznauntal in Tirol lässt viele immer noch zusammenzucken. Vielerorts im deutschsprachigen Raum wird Ischgl genannt, um Mahnungen zur Vorsicht Nachdruck zu verleihen. Im März 2020 waren Ischgl, dann alle Tiroler Gemeinden unter Quarantäne gestellt worden, aber erst Tage nach Bekanntwerden der ersten Corona-Fälle. Da hatten Skitouristen aus aller Welt Ischgl bereits samt dem Virus panikartig verlassen.

Gerade jetzt, da in Österreich nach monatelanger Schließung die Öffnung der Läden bevorsteht, ist in Tirol von einem „zweiten Ischgl“ die Rede. Eine regionale Verlängerung des Lockdowns und eine erneute Abriegelung sind im Gespräch.

Die Forderungen kommen von der Virologin Dorothee von Laer von der Medizinischen Universität Innsbruck. Von Laer hatte im vergangenen Jahr die Verbreitung des Virus in Ischgl untersucht und berät jetzt die österreichische Bundesregierung. Es gebe in Tirol einen starken Anstieg der südafrikanischen Corona-Variante, aber sie sehe „kein Handeln der Politik hier in Tirol. Ich warte auf das zweite Ischgl“, sagte die Virologin am Mittwoch der Zeitung „Kurier“. „Man müsste Tirol für einen Monat isolieren – vom Rest von Österreich und dem Ausland.“

In Tirol wurde die südafrikanische Corona-Variante erstmals am 23. Januar nachgewiesen. Forschern erscheint sie besorgniserregend. Sie ist wohl ansteckender und könnte zu Reinfektionen sowie geringerem Impfschutz führen. Nach der Entdeckung der ersten Fälle intensivierte man in Tirol die genetische Sequenzierung von positiven Corona-Tests. Auch ältere Proben, teils aus dem Dezember, wurden untersucht. Bis Mittwoch stieg die Zahl der nachgewiesenen Südafrika-Fälle so auf 75. Am Donnerstag sagte von Laer der Nachrichtenagentur APA, allein unter den an ihrem Institut sequenzierten Tests seien inzwischen jeden Tag 20 bis 30 Südafrika-Fälle.

Konzentrierten sich erste Fälle noch auf die Gemeinde Schwaz, breitet sich die Südafrika-Variante laut von Laer zwischen Innsbruck und Kufstein an der bayerischen Grenze bereits „in die Täler“ aus. Es habe sich auch ein Tiroler Subtyp der Südafrika-Variante entwickelt. Welche Eigenschaften dieser habe, sei noch unklar. Andere Experten sehen in den genetischen Veränderungen noch keinen eigenen Subtyp oder gar eine Variante. Allein britische Forscher kennen bislang 4000 verschiedene Mutationen im Erbgut von Sars-CoV-2-Viren. Nur wenige Mutationen verbreiten sich aber auch langfristig weiter. Erst dann sprechen Wissenschaftler von einer neuen Virus-Variante oder einer Mutante.

Die Tiroler Landesregierung bewertet die Lage derzeit als „ernst“, setzt aber auf mehr Tests und Kontaktnachverfolgung. Eine Quarantäne für ganz Tirol gebe die Datenlage nicht her, sagte Landeshauptmann Günther Platter am Donnerstag. Wien schließt eine Abriegelung Tirols aber nicht aus. Die Bundesregierung prüfe alle Optionen, berichtete APA. Bis Sonntag will man entscheiden. Von Laer sagte, man könne die Lage noch ein, zwei Tage beobachten. Doch die Frage sei, ob es „nicht vielleicht schon zu spät“ sei. sr/afp

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