Benjamin, das Wunderkind

von Redaktion

München – Das kleine Bündel Mensch war so winzig, dass es sich selbst seine Eltern heute kaum noch vorstellen können: Ihr Benjamin maß nur 30 Zentimeter und wog 570 Gramm, als ihn die Ärzte per Not-Kaiserschnitt ins Leben holten. Er kam als Frühchen in der 26. Woche – ganze 14 Wochen vor dem errechneten Geburtstermin.

Knapp jedes zehnte Kind kommt in Deutschland zu früh zur Welt. Zu früh bedeutet laut dem Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte: vor der 38. Schwangerschaftswoche. Eine normale Schwangerschaft dauert 40 Wochen. Der Anteil der Frühgeborenen, die sogar vor der 32. Schwangerschaftswoche geboren werden, liegt bei nur einem Prozent. Woche 26, so wie bei Benjamin – ein absoluter Notfall. Auf das kleine Häufchen warteten Schläuche und Kabel, ein Wärmebett umgeben von Maschinen, und viele helfende ärztliche Hände. Den Eltern blieb nichts anderes übrig, als zu hoffen. Erst nach 98 Tagen konnten Maria (32) und Tobias Bauer (34) ihren Schatz mit nach Hause nehmen.

Benjamin hat sein Gewicht versechsfacht

Heute geht es Benjamin gut. In vier Monaten hat der Sohnemann sein Gewicht schon versechsfacht, bringt jetzt 3300 Gramm auf die Waage und ist 48 Zentimeter groß. „Benjamin hat keine Einschränkungen, die Ärzte haben uns bestätigt, dass er voll entwickelt ist. Er lacht viel, ist einfach ein kleines Wunder“, sagt seine Mama.

Ihr Glück lässt sich schwer in Worte fassen, und die Angst, die die Familie über Wochen aushalten musste, kaum nachempfinden. „Niemand konnte uns sagen, ob Benjamin gesund auf die Welt kommen würde oder behindert oder sogar sterben würde“, erinnert sich Papa Tobias. Seinem ungeborenen Sohn drohten Komplikationen wie Hirnblutungen, ein Darmdurchbruch, Blindheit, Taubheit oder schwere Infektionen durch Bakterien oder Viren – darunter auch Sars-CoV-2. „Diese Angst hat uns bis zum Geburtstermin jeden Tag verfolgt.“

Arbeitgeber hilft in der schweren Zeit

Die medizinische Vorgeschichte: In der 21. Schwangerschaftswoche diagnostizierten die Ärzte in der München Klinik Neuperlach eine sogenannte Präeklampsie. Diese gar nicht so seltene Komplikation hieß im Volksmund früher Schwangerschaftsvergiftung. „Vereinfacht erklärt wird dabei das Baby im Bauch nicht ausreichend mit Sauerstoff und anderen Nährstoffen versorgt“, erklärt Professor Marcus Krüger, Chefarzt der Neonatologie in den München Kliniken Schwabing und Harlaching. Zur Weiterbehandlung wurde Maria Bauer von Neuperlach in die Schwesterklinik nach Harlaching verlegt, weil es dort ein Spezialzentrum mit Neonatologie und Intensivstation gibt. Nicht nur ihr Kind war in Gefahr. „Die Ärzte haben mir gesagt, dass es für mich gefährlich werden könnte. Ich hatte permanent Angst um mein Kind und auch um mich“, erzählt die 32-Jährige.

Die Unsicherheit quälte sie lange, auch der Stress durch die permanent nötigen Untersuchungen zehrte an ihr. Aber die Mama blieb tapfer. „Es bringt ja nichts, sich runterziehen zu lassen. Ich sagte mir immer wieder: Das wird schon.“

Dem Papa wurde ähnliche Stärke aufgezwungen. „Im Krankenhaus wollte ich für Maria und Benjamin da sein und keine Schwäche zeigen. Das war schwer, weil ich wusste, dass etwas mit meiner Frau und meinem Kind passieren könnte“, berichtet Tobias. „Immer wenn ich abends aus der Klinik nach Hause gefahren bin und morgen wieder hinkam, musste ich hoffen, dass alles gut gehen würde. Daheim habe ich versucht, alles zu regeln, Haushalt, Papierkram. Das hat Kraft gekostet.“ In dieser schweren Zeit konnte er auf seinen Arbeitgeber Carrier Klimatechnik bauen. „Er hat mir ermöglicht, immer früh zu gehen und in die Klinik zu fahren. Das war eine sehr wertvolle Unterstützung für unsere Familie.“ In der Wirtschaft würde man sagen: Das Investment hat sich gelohnt. Jedenfalls lässt sich das Glück der Familie Bauer nicht in Gold aufwiegen. ANDRES BEEZ

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