Das „EssZimmer by Käfer“ in der BMW Welt ist eine von Münchens ersten Gourmet-Adressen. Seit 2013 ist Bobby Bräuer, 59, dort Küchenchef. Schon im ersten Jahr erkochte der gebürtige Münchner einen Michelin-Stern. Ein Jahr später folgte der zweite Stern.
Wie blicken Sie auf das zurückliegende Jahr?
Es liegt ein sehr schwieriges Jahr hinter uns. Jetzt sind wir schon im fünften Monat des zweiten Lockdowns. Um eine gewisse Routine beizubehalten, haben wir mit Menü-Boxen angefangen. Das ist gerade für unsere Auszubildenden eine gute Möglichkeit, nicht ganz aus dem Trott zu geraten. Ein Hauch von Normalität in der Küche sozusagen. Nebenbei zeigen wir dadurch unseren Kunden und Gästen Präsenz. Die Boxen werden gut angenommen. Gerade über Weihnachten und Silvester waren sie sehr gefragt. Und ich gehe auch davon aus, dass wir sie an Ostern nochmals brauchen.
Anfang der Woche durften Friseure, Kosmetik-Studios aber auch Baumärkte wieder aufsperren. Haben Sie das mit einem neidvollen Blick betrachtet?
Eher mit einem verständnislosen Blick. Wir sind – wie schon beim ersten Lockdown – wieder das Schlusslicht. Das sorgt bei uns Gastronomen für Unverständnis. Die Gastronomie hat sich so viel Mühe mit Hygiene-Konzepten gegeben. Wir durften im Sommer ein paar Monate arbeiten, dann hat man uns völlig vor den Kopf gestoßen. Erst Sperrstunde um 21 Uhr, dann seit November die komplette Schließung. Ich hoffe, dass die Politik nicht zu lange wartet, schon jetzt bangen viele um ihre Existenz. Ich befürchte, dass einige Kollegen nach dem Lockdown gar nicht mehr aufsperren können. Der Schuldenberg ist zu groß.
Normalerweise wird der Guide Michelin mit Spannung erwartet. Ist es sinnvoll, nach fast einem Jahr geschlossener Restaurants Sterne zu verleihen?
Dem Guide Michelin zittern wir Köche seit Jahrzehnten entgegen. Er ist nach wie vor der wichtigste Gourmet-Führer. Das ist der große Tag für die Gastronomie. Normalerweise bin ich am Erscheinungstag nervös, lasse das zurückliegende Jahr nochmals Revue passieren. Heuer ist es sicher anders. Für uns Köche, die wir monatelang zum Nichtstun verdonnert waren, aber auch für den Guide Michelin selbst, der nicht in gewohntem Umfang testen konnte. Ich gehe davon aus, dass in diesem Jahr der Status quo erhalten wird. Dass es den Guide Michelin 2021 gibt, ist aber nur folgerichtig. Alle anderen Gourmet-Führer sind auch erschienen.
Viele Köche haben auf Boxen umgestellt. Wird Corona die Gastronomie nachhaltig verändern? Sind Boxen zum Mitnehmen jetzt das neue Essengehen?
Es wird künftig beides geben. Wir haben mit den Boxen Gäste erreicht, die bislang noch nicht zu unserem Kundenstamm gehörten. Die Menschen sind auf den Geschmack gekommen, sich zu Hause, in familiärer Atmosphäre etwas Gutes zu tun. Ich glaube aber, dass die Lokale, sobald es wieder erlaubt ist, gut gefüllt sein werden. Wir haben nach dem Ende des ersten Lockdowns einen regelrechten Run erlebt. Die Menschen sehnen sich nach Normalität, wollen sich wieder frei bewegen. Das betrifft den Sport genauso wie das Essengehen.
Heute besprechen sich die Ministerpräsidenten mit Bundeskanzlerin Angela Merkel. Was erwarten Sie sich von den Politikern?
Eine Perspektive, die Gastronomie wieder zu eröffnen. Aber ich befürchte, dass für uns Gastronomen wieder nichts dabei rauskommt.
Interview: Stephanie Ebner