Bad Tölz: viel Betrieb und viele offene Fragen
Da der Inzidenzwert im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen unter 50 liegt, darf seit Montag der Einzelhandel ohne Einschränkungen wieder öffnen. Eine Terminvergabe ist nicht notwendig. Die Einzelhändler in Bad Tölz sind glücklich, nach wochenlanger Pause wieder öffnen zu dürfen. So auch Michaela Biller, Hausleitung des Kaufhaus Rid in Bad Tölz. In den ersten Stunden habe es einen regelrechten Kundenansturm gegeben. „Es ist heute mehr los als normalerweise am Montag“, sagt Biller.
Die Menschen kommen nicht nur, um nach langer Zeit wieder das Einkaufsgefühl zu erleben. „Es wird auch viel gekauft“, sagt Biller. Vor allem Wäsche und Strümpfe würden besonders nachgefragt, hat sie festgestellt. Gleichwohl herrsche bei den Kunden noch eine gewisse Verunsicherung. „Wir hatten viele Nachfragen am Telefon, wie und wann wir aufhaben“, sagt Biller.
Auch Männermoden Hauser in der Marktstraße freute sich über viele Kunden, berichtet der Juniorgeschäftsführer Nikolaus Hauser. „Ich rechne damit, dass das Geschäft auch weiter gut läuft“, sagt er. Vor allem da jetzt das Frühjahrsgeschäft beginne.
Eher gemäßigten Andrang gab es am Vormittag in der Filiale von s.Oliver. „Zurzeit ist die Kundenzahl eher überschaubar“, sagte Verkäuferin Lindita Arifi am späten Vormittag. Eigentlich habe sie mit mehr Kunden gerechnet: „Ich habe gedacht, dass die Leute uns in der Früh die Türen einrennen.“ Der bisher fehlende Ansturm sei möglicherweise auf die Verwirrung bezüglich der neuen Regelungen zurückzuführen, sagt die Verkäuferin. Viele hätten noch nicht mitbekommen, dass die Geschäfte seit Montag wieder geöffnet seien. FRANZISKA SELTER
München: Franz Otto (93) ist nicht mehr einsam
Aufatmen in der Landeshauptstadt: Endlich haben die ersten Läden wieder geöffnet. Wegen der Sieben-Tage-Inzidenz von über 50 hieß es zwar noch Einkaufen mit Terminvergabe, doch der Andrang in Münchens Innenstadt war kaum zu übersehen. Quer über die Kaufingerstraße liefen Menschenmassen mit vollgepackten Einkaufstüten. Bei strahlendem Sonnenschein kam es vor einigen Geschäften sogar zu Schlangen. Ein Hauch von Normalität, der auch bei den Händlern Glücksgefühle auslöste. „Wir freuen uns sehr darüber, dass wir wieder Kunden im Haus haben“, sagte David Thomas, Verkaufsleiter bei Hirmer. „Nach 69 Tagen ist unser Geschäft nun wieder geöffnet und jeder Kunde hat von uns eine Blume als kleines Geschenk erhalten.“
Termine für Kunden können nun online oder vor Ort vergeben werden. Die Anzahl der Kunden, die einen Laden gleichzeitig betreten dürfen, hängt dabei von der Größe der Verkaufsfläche ab. Zudem müssen Kunden vor dem Ladenbesuch ihre Kontaktdaten angeben. So kann die Kontaktverfolgung sichergestellt werden. „Schon ab Donnerstag begannen die ersten Registrierungen“, sagt Thomas. Eine Stunde beträgt die Zeitspanne, in der sich Kunden in vielen Geschäften aufhalten können. Auch Michael Decker, stellvertretender Storeleiter von Sport Schuster, begrüßte die Öffnungen: „Die Termine werden sehr gut angenommen. Wir freuen uns über den Kundenkontakt. Vor allem bei Sportartikeln oder Reparaturen ist dieser Kontakt essenziell.“
Einige ältere Menschen hatten noch Schwierigkeiten mit der Online-Registrierung. Diese konnten sich jedoch auch am Eingang der Geschäfte anmelden. Der 93-jährige Rentner Franz Otto war besonders begeistert: „Das Anmelden vor Ort hat problemlos geklappt. Nun ist die Einsamkeit endlich weg und man kann sich in der Innenstadt den einen oder anderen Wunsch erfüllen.“ Auch bei Kundin Steffi Schmied herrschte große Freude: „Click and Meet ist super! Ich habe online einen Termin gemacht und konnte dann direkt in den Laden hinein. Das ganze Konzept ist sehr entspannt und wie man sieht, ist die Innenstadt wieder voll.“
Laut Wolfgang Fischer, Geschäftsführer von CityPartner München, sei der große Ansturm zwar noch ausgeblieben, dennoch gab es einen Andrang in der Innenstadt. Viele Kunden wollten das neue Konzept austesten und die Händler seien natürlich froh. DAYAN DJAJADISASTRA
Erding: Ein Laden ist längst nicht genug
Fröhlich streicht Ursula Schmidmeier, 54, im Gewandhaus Gruber über ihre neuesten Errungenschaften: Ein schwarzes und ein weißes Top und eine Jeans. „Ich habe so lange darauf gewartet, wieder einkaufen zu können, da musste ich die Chance gleich nutzen“, sagt sie. „Man weiß ja nie, wie lange die Läden noch aufhaben dürfen.“ Erding lag in den vergangenen Tagen nur knapp unter dem entscheidenden Inzidenzwert von 50. In vielen Läden der Langen Zeile stehen die Kunden Schlange. Beschwerden über die Wartezeit? Fehlanzeige.
Nur wenige Meter weiter, im Modehaus Kraus am Eck, kann es Brigitte Schrödl gar nicht erwarten, ihre neue Hose aus schwarzem Leder zu tragen. Sie kommt aus der Umkleide, blickt an sich herunter und ihr ist sofort klar: Die Hose behält sie gleich an. „Ich habe so viele Monate darauf gewartet“, sagt sie. Und das ist heute nicht ihr letzter Einkauf: „Jetzt schau ich gleich weiter zum NKD, was die an Frühlingsmode haben, dann hol ich mir Kaffee bei Tchibo und dann geht es zum Gruber“, sagt sie. Bei dem schönen Wetter habe sie sofort die Einkaufslust gepackt.
Auch ein Ehepaar aus Dorfen freut sich über den ersten Einkaufsnachmittag seit Langem. „Wir waren schon im Gruber, jetzt wird mittaggegessen und dann nehmen wir noch alles mit, was geht“, sagt die Dorfenerin. Tchibo, dm, ein Schuhladen und ein Juweliergeschäft kommen heute auf jeden Fall noch dran. Die bisherige Beute: Pullover, Hosen und Hemden – für sie und ihn. Denn sogar der Ehemann hat Spaß beim Einkaufsbummel, wie die Gattin bemerkt: „Das ist großartig, wenn sogar mal der Mann Lust auf Shopping hat“, sagt sie. RAFFAEL SCHERER
Rosenheim: Frust auf ganzer Linie
„Was haben wir der Regierung getan, dass die uns dermaßen bestraft“, schimpft Paul Adlmaier vom Herrenmode Adlmaier und Vorsitzender des City-Managements Rosenheim. Noch am vergangenen Freitag hatte er via Facebook seine Vorfreude auf den terminlichen und streng geregelten Kundenkontakt kundgetan: „Wir haben alles auf Frühling umgestimmt und freuen uns schon sehr auf Euch.“ So hätte es laut Ankündigung vergangene Woche kommen können. Wären nur die Inzidenzzahlen besser. So kam mit Beginn der neuen Woche gleich die Ernüchterung: Rosenheim liegt schon wieder über 100, Kundenkontakt mit Terminvereinbarung ist also schon wieder verboten.
Gleich mehrfach gestraft sieht sich Udo Siebzehnrübl. Der Sporthändler betreibt Intersportgeschäfte in Altötting, Rosenheim und München. Und hat überall mit Einschränkungen zu kämpfen. In Altötting immerhin fällt die Inzidenzzahl wieder, dort gibt es Hoffnung. In München aber und mehr noch in Rosenheim sieht sich Siebzehnrübl im Hintertreffen. „Am Samstag hätten wir noch Click & Meet machen können, da durften wir noch nicht. Am Montag hätten wir gedurft, da konnten wir aber nicht mehr, weil die Inzidenzzahl übers Wochenende so nach oben gegangen war.“ Bei seinen Geschäftsführern, sagt er, liegen die Nerven blank, „es ist wirklich ein Albtraum, mit dieser Ungewissheit, wann wir wieder aufmachen können“. In Rosenheim muss er weiter auf Online-Versand setzen, „und damit machen wir trotz aufwendiger telefonischer Beratung gerade mal fünf Prozent von unserem normalen Umsatz“. MICHAEL WEISER