München – Dr. Axel Fischer ist Chef der München Klinik mit ihren fünf Häusern in Bogenhausen, Harlaching, Neuperlach, Schwabing und an der Thalkirchner Straße. Im Interview erklärt Fischer, der sich gestern selber ein Bild auf zwei Intensivstationen seiner Kliniken gemacht hat, warum er der sinkenden 7-Tage-Inzidenz nicht traut und wie die Lage auf den Intensivstationen derzeit ist.
Herr Fischer: Wie interpretieren Sie als Kliniken-Chef die seit Ostern sinkende 7-Tage-Inzidenz?
Wir schauen im Moment gar nicht so auf die Inzidenz, weil die aktuellen Zahlen verzerrt sind. Über die Feiertage haben einige Ämter nicht gemeldet, weniger Menschen haben sich testen lassen. Wenn man das mittelt über sieben Tage und man hat einen Tag mit fast null dabei, dann geht die Inzidenz natürlich erst einmal stark nach unten.
Das heißt, den Ostereffekt wird man erst etwas später wirklich sehen …
Genau. Ob die Menschen mehr unterwegs waren oder sich doch eine Auszeit genommen haben und die Zahlen nachhaltig sinken, das wissen wir erst in zwei Wochen. Viele Menschen hatten über Ostern frei und haben vielleicht Verwandte besucht. Es war auch schönes Wetter. Ich bin kein Epidemiologe, der das genau berechnet, aber wir gehen derzeit eher davon aus, dass die Inzidenz und die Zahl der Patienten in unseren Kliniken wieder steigen wird.
Die Inzidenz ist gesunken, die Auslastung der Intensivbetten hingegen steigt.
Ja. Auch bei uns steigt die Belegung seit mehreren Wochen stetig an. Die Lage in unseren vier großen Häusern ist unterschiedlich. Wir haben versucht, die Corona-Patienten auf Schwabing und Harlaching zu konzentrieren, jetzt haben wir auch wieder Patienten in Neuperlach und Bogenhausen. Wir können noch Kapazitäten schaffen, aber der Druck am Standort Schwabing ist schon wieder sehr groß. Deswegen fahren wir die anderen Häuser langsam wieder hoch.
Brauchen wir einen harten Brücken-Lockdown?
Das ist sehr schwer zu sagen. Man darf aber in der Diskussion eines nicht vergessen: Unsere Ärzte und Pfleger sind seit über einem Jahr durch Corona voll gefordert. Manche haben als Arzt angefangen und bisher nichts anderes erlebt als Covid-Patienten. Das muss man sich mal vorstellen. Diese Dauerbelastung zermürbt und der Wunsch wird immer größer, dass es endlich ein Ende hat. Vielleicht wäre ein zweiwöchiger knallharter Lockdown besser als dieses ständige Auf und Zu. Noch mal zwei Wochen volle Anstrengung und dann haben wir es hoffentlich im Zusammenspiel mit den Impfungen geschafft.
Wer liegt bei Ihnen derzeit auf Intensivstation?
Die Erkrankten sind deutlich jünger geworden. Wir bekommen kaum mehr Patienten aus den Altenheimen. Das Impfen ist also ein Erfolg. Im Moment haben wir – auch auf Normalstation – Patienten vor allem zwischen 40 bis 70. Wollen Sie es genau wissen?
Ja, gerne.
(schaut im Computer nach.) Wir behandeln aktuell sieben Corona-Patienten im Alter von 15 bis 44 Jahren, 21 Patienten zwischen 45 und 64 Jahren, 13 Patienten von 65 bis 74 Jahren und nur noch zwölf ältere Menschen zwischen 75 und 84 Jahren.
Viele jüngere Patienten landen schnell auf der Intensivstation. Warum?
Junge Menschen halten oft mehr aus als ältere. Sie kommen deshalb später in die Klinik, teilweise zu spät – und müssen relativ schnell auf die Intensivstation. Dafür liegen sie dann auch länger dort und wir kämpfen um ihr Leben. Wir haben noch Patienten aus der zweiten Welle bei uns liegen.
Das heißt auch, dass es weniger Tote unter den Jüngeren gibt?
Es sterben durchaus auch jüngere Patienten, so ist es nicht. Wie die Sterblichkeit bei den Patienten sein wird, die in den letzten Wochen zu uns gekommen sind, dazu lässt sich noch keine verlässliche Aussage machen.
Ihr Appell an die Politik?
Wir müssen volle Kraft aufs Impfen setzen – und das möglichst unbürokratisch. Zweitens brauchen wir eine vernünftige Teststrategie. Wir müssen noch mehr testen, damit es eine Perspektive gibt und wieder etwas Normalität ins Leben einzieht. Das wäre wichtig für uns alle.
Interview: Wolfgang Hauskrecht