Terrier statt Wackeldackel

von Redaktion

Selten zog ein Kanzlerkandidat der Union so geschwächt in eine Wahl – Doch Laschet ist ein Meister des Comebacks

München – Er will sich nicht den Hauch von Triumph anmerken lassen. Als Armin Laschet gestern Nachmittag vor die Presse tritt, fällt sein Vortrag so knochentrocken aus, dass man sich am Ende fragt, was eigentlich gesagt wurde. Ein paar freundliche – und mindestens halb geschwindelte – Worte für Markus Söder. Irgendwas mit Transparenz, Modernisierung und „Diversität“. Das war’s. Der 60-jährige Katholik klingt fast wie ein Pfarrer. Wie er die massive Kritik der letzten Tage wahrgenommen habe, wird er gefragt. „Ich bin ein Mensch, der das offene Wort schätzt.“ Ein joviales Lächeln. Er werde mit den Kritikern das Gespräch suchen.

Die wendungsreiche Karriere des dreifachen Familienvaters Laschet ist also wieder um eine Kurve reicher. Jetzt ist er Kanzlerkandidat. Und jeder, der ihm im Herbst schon eine Pleite prophezeit (die Umfragen!), sollte sich seine Vita genauer zu Gemüte führen. Oft fiel er hin oder wurde abgeschrieben. Schwache Umfragen begleiten ihn sein ganzes Leben. Man denke nur an die jüngste Vergangenheit: Auch beim Ringen um den Parteivorsitz galt Friedrich Merz als Favorit. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Merz ihm nun als einer der ersten CDU-Promis gegen Söder zur Seite sprang. Vielleicht ist das ein Erfolg von Laschets Integrationstalent. Vielleicht ahnte der NRW-Landsmann aber auch nur, das Laschet mal wieder das Rennen macht.

Rückblick 2017: Laschet fordert in NRW die Landesmutter Hannelore Kraft (SPD) heraus. Anfangs gilt er als chancenlos. Aber er kämpft und gewinnt. Am Ende sagen in Umfragen 18 Prozent, dass sie im Laufe des Wahlkampfs ein besseres Bild von Laschet gewonnen hätten – wobei man nicht verschweigen sollte, dass Kraft zunehmend lustlos wirkt und auch unter der SPD-Krise um Kanzlerkandidat Martin Schulz leidet. Trotzdem: Zu Beginn des Wahlkampfs hatten die Genossen den CDU-Mann als „Wackeldackel“ verspottet. „Sie irrten. Laschet gab den Terrier“, kommentiert die „Rheinische Post“ am Tag nach der Wahl.

Dieser Terrier hat schon viele Rückschläge weggebissen. Nicht lange darüber nachdenken – weiter, immer weiter, wie es der große Motivationstrainer Oliver Kahn einmal formuliert hat. Nehmen wir 1998: Laschet fliegt mit dem Ende der Kohl-Ära aus dem Bundestag (damals noch in Bonn), in den er 1994 als hoffnungsfroher 33-Jähriger eingezogen war. Doch nur ein Jahr später sitzt er schon wieder im Parlament: diesmal dem europäischen in Straßburg.

So geht es immer wieder: Laschet steigt auf, fällt hin, rappelt sich wieder auf. Leicht ist es nie. 2005 macht ihn Jürgen Rüttgers in NRW zum ersten deutschen Integrationsminister. Bis heute ist das ein wichtiges Thema für den Aachener, das er auch in den turbulenten letzten Tagen immer wieder anspricht. In der Flüchtlingskrise steht Laschet treu an Angela Merkels Seite – in der CSU verachten sie ihn dafür. Ihn ficht das nicht an. Auch nicht, dass er während seiner Ministerzeit von Konservativen als „Türken-Armin“ verspottet wird.

Doch den Ministerposten ist er 2010 los, weil der Wähler die CDU in die Opposition schickt. Laschet will nun Fraktionschef werden – und unterliegt (gegen Karl-Josef Laumann). Dann versucht er es mit dem Landesvorsitz – wieder verliert er (diesmal gegen Norbert Röttgen). Aufgeben? Weiter, immer weiter. Als Röttgen 2012 die Wahl vergeigt, schlägt Laschets Stunde in der NRW-CDU. Fünf Jahre später wird er zum Ministerpräsidenten gewählt – mit einer Stimme Mehrheit. Seiner eigenen. Mit knappen Ergebnissen kennt er sich aus: Sein Direktmandat gewinnt er mit 35,8 zu 34,9 Prozent gegen eine SPD-Konkurrentin.

Jetzt hat sich Laschet also wieder durchgewurschtelt. Diesmal gegen Söder. Laschet kennt die Bayern, weil er in München Jura studierte, eine journalistische Ausbildung bei „Radio Charivari“ absolvierte und bis 1994 für den „BR“ arbeitete – zeitgleich mit Markus Söder. Er wird wissen, wie tief der Stachel bei der CSU sitzt. Er könne Menschen zusammenführen, betont er immer wieder. Bei Merz hat’s funktioniert. Nun muss er dieses Talent bei Söder beweisen. MIKE SCHIER

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