Die Impf-Sorgen unserer Leser

von Redaktion

Rund um die Corona-Impfstoffe gibt es viele Nachrichten – und auch Gerüchte. Unsere Gesundheitsredaktion haben zuletzt viele Fragen zum Thema erreicht. Wir haben drei Experten um Antworten gebeten.

Ingrid G., 66: Ich würde mich gerne impfen lassen, habe aber bei Astrazeneca Bedenken. Ich habe jahrzehntelang die Pille genommen und nehme jetzt seit vielen Jahren Ersatzhormone wegen Wechselbeschwerden.

Dr. Karlheinz Zeilberger, Facharzt für Innere Medizin und Sportmedizin: Nach den aktuellen Vorgaben ist eine Hormonersatztherapie alleine im Alter von 66 Jahren kein Ausschluss für eine Impfung mit Astrazeneca. Sie sollten aber Ihren Einzelfall mit dem Hausarzt besprechen, ob es noch andere Gründe gibt, einen mRNA-Impfstoff zu bevorzugen.

Lisa V., 33: Ich bin als Kinderpflegerin in einem Kindergarten tätig und habe das Impfangebot abgelehnt, weil ich an Neurodermitis und Allergien, etwa gegen Hausstaub und Pollen, leide. Nun muss ich mich von Eltern blöd anreden lassen. Muss ich mich impfen lassen?

Dr. Karlheinz Zeilberger: Die Allergien, die Sie haben, beinhalten kein erhöhtes Risiko für schwerwiegende Nachwirkungen einer Covid-19-Impfung. Dies gilt für die allermeisten Allergiker. Anders ist es bei Allergien gegen bestimmte Bestandteile von Impfstoffen. Es gibt keine Impfpflicht, aber ich rate Ihnen zu einer Impfung.

Ulrike P. 59: Letztes Jahr im Sommer wurde bei mir Polymyalgia rheumatica festgestellt. (eine entzündlich-rheumatische Erkrankung, die meist erst nach dem 60. Lebensjahr auftritt; Anm. der Redaktion). Ich bekam Cortison, anfangs 20 Milligramm. Ich bin inzwischen, auch aufgrund von Ernährungsumstellung und Sport (Walking, Gymnastik), bereits bei 7 Milligramm. Soll ich mich jetzt impfen lassen?

Ursula Goppel, Internistin: Bei der Polymyalgia rheumatica handelt es sich um eine Autoimmunerkrankung. Da bei Menschen mit Autoimmunerkrankungen das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf bei Covid-19-Infektion erhöht ist, ist bei Ihnen eine zeitnahe Impfung absolut sinnvoll; das niedrig dosierte Cortison spricht nicht dagegen.

Brigitte H., 77: Was gilt bei einer Gerinnungsstörung? Ich habe das Von-Willebrand-Jürgens-Syndrom (Blutungsneigung). Kann ich geimpft werden?

Ursula Goppel: Nach jetzigem Wissensstand erhöht eine Gerinnungsstörung nicht das Risiko. Der Nutzen der Impfung ist sehr wahrscheinlich größer als das Risiko einer Impfkomplikation. Sicherheitshalber sollten Sie sich in Ihrem Hämophilie-Behandlungszentrum beraten lassen.

Renate S., 65: Seit Jahren habe ich Unterhautblutungen, sogenannte Petechien. Ich nehme Pantoprazol, Vitamin D, Cortisonspray wegen Asthma. Ist es sicherer, nicht den Impfstoff von Astrazeneca zu verwenden?

Dr. Karlheinz Zeilberger: Es muss bei einer verstärkten Blutungsneigung auf alle Fälle ausgeschlossen sein, dass ein Problem mit den Blutplättchen (= Thromboyzten) vorliegt. Sollte dies der Fall oder unklar sein, würde ich sicherheitshalber zu einem mRNA-Impfstoff raten.

Jochen F. 72: Ich leide seit über 40 Jahren an Morbus Bechterew. Zudem plagt mich eine starke Pollenallergie. Welche Rolle spielt die Unterscheidung von Tot- oder Lebendimpfstoff?

Dr. Karlheinz Zeilberger: Sowohl der mRNA- als auch der Vektorimpfstoff zählen nicht zu den klassischen Tod- oder Lebendimpfstoffen, sie sind eigene Klassen. Auch bei bekannten Erkrankungen, die mit stärkeren Reaktionen des Immunsystems einhergehen, kann und sollte – außer bei bekannter Allergie gegen einen bestimmten Bestandteil des Impfstoffes – geimpft werden. Dabei kann es zu einer starken Impfreaktion kommen, es ist aber bisher nicht bekannt, dass sich eine Grunderkrankung verschlechtert. Eine direkte Bevorzugung eines Impfstoffes erscheint mir in Ihrem Fall nicht nötig.

Dieter F., 83: Meine erste Impfung erhielt ich mit Astrazeneca. Durch ein MRT wurde bei mir eine „fortgeschrittene vaskuläre Enzephalopathie“ diagnostiziert, also eine durch Gefäßveränderungen (Arteriosklerose) hervorgerufene Erkrankung des Gehirns. Sollte ich lieber die zweite Impfung mit einem mRNA-Impfstoff erhalten?

Dr. Sebastian Brechenmacher, Facharzt für Innere Medizin und Hausarzt:

Als seltene Nebenwirkung können ein bis zwei Wochen nach der ersten Impfung mit dem Impfstoff der Firma Astrazeneca Thrombosen in verschiedenen Körperregionen auftreten. Meist liegt zusätzlich eine abgesenkte Zahl an Blutplättchen vor. Die Ursache scheint die Bildung von speziellen Antikörpern zu sein, die zu einer starken Verklumpung der Blutplättchen führen. Meist waren Menschen unter 60 Jahren und überwiegend Frauen betroffen. Als Mann mit 83 Jahren gehören Sie nicht zur Risikogruppe. Auch eine vaskuläre Enzephalopathie stellt nach jetzigem Wissensstand keinen Risikofaktor dar. Ich würde raten, die zweite Impfung mit Astrazeneca durchführen zu lassen.

Robert M., 75: Bei jedem Bluttest gibt es einen Thrombozyten-Wert, der bei 140 bis 400 liegt. Bei Astrazeneca wird von Thrombose-Problemen im Gehirn berichtet. Kann dieser Wert nicht eine Aussage zur Gefährdung sein?

Dr. Sebastian Brechenmacher: Bei einem Blutbild wird neben den roten und weißen Blutkörperchen (Erythrozyten und Leukozyten) auch die Zahl der Blutplättchen (Thrombozyten) bestimmt. Sie sind die Kleinsten unter den Blutzellen und für die Blutgerinnung verantwortlich. Normale Werte im Blutbild sind 140 000 bis 370  000 pro Mikroliter.

Bei der sehr seltenen Nebenwirkung der Thrombosen nach der ersten Impfung mit Astrazeneca kommt es nach jetzigem Kenntnisstand zur Bildung von Antikörpern gegen Thrombozyten. Dies bewirkt eine Aktivierung und Verklumpung der Blutplättchen, was wiederum die Ursache der Thrombosen ist. Zudem werden sehr viele Thrombozyten verbraucht, was wiederum einen Mangel und die Gefahr von Blutungen nach sich ziehen kann. Welche zusätzlichen Faktoren zur Entstehung dieses Prozesses führen, ist bis jetzt unklar. Aus den Thrombozytenwerten vor einer Impfung kann nicht auf ein erhöhtes Risiko für eine Thrombose geschlossen werden.

Michael G., 72: Ich habe eine Organtransplantation hinter mir und lebe seit drei Jahren mit einer gespendeten Niere. Nun habe ich große Sorgen, da ich Medikamente bekomme, die mein Immunsystem unterdrücken. Soll ich mich impfen lassen?

Dr. Karlheinz Zeilberger: Ich habe zu dieser Frage einiges gelesen, und kann sagen, dass sechs bis acht Monate nach der Transplantation nichts gegen eine Impfung spricht. Transplantierte sind ja auch in der Priorisierungsgruppe 2. Nach der Datenlage würde ich zu einem mRNA-Impfstoff raten, aber man muss klar sagen, die Studienlage ist im Moment noch unbefriedigend. Es gibt noch zu wenig Daten zum Thema Covid-19-Impfung und Transplantation. Im Zweifelsfall würde ich Rücksprache mit den Transplantationszentrum halten.

Birgit G., 77: Meine Nachbarin berichtete von Schweißausbrüchen, Schüttelfrost und Zähneklappern nach der Impfung. Wann muss man den Notarzt rufen?

Ursula Goppel: Wie bei allen Impfungen kann es auch bei den Impfungen gegen Covid-19 zu Nebenwirkungen kommen. Viele Patienten berichten über Schmerzen an der Einstichstelle und Abgeschlagenheit. Bei circa 30 Prozent der Geimpften kommt es, wie bei Ihrer Nachbarin, zu Schüttelfrost, häufig mit Kopfschmerzen, etwa zehn Prozent bekommen Fieber. Dagegen helfen entzündungshemmende Medikamente wie Paracetamol und Ibuprofen, außerdem sollten Sie viel trinken und sich körperlich schonen.

Den Notarzt muss man bei lebensbedrohlichen Zuständen holen, wie sie im Rahmen einer allergischen Reaktion auf die Impfung vorkommen können: Anschwellen von Gesicht oder Zunge, Atemnot, Kreislaufversagen.

Olivia V., 56: Kann man sich aussuchen, mit welchem Covid-19-Impfstoff man geimpft wird?

Dr. Sebastian Brechenmacher: Aufgrund der derzeit bestehenden Impfstoffknappheit kann man sich den Impfstoff noch nicht aussuchen. Sollten Sie ein Impfangebot mit einem Impfstoff bekommen, den Sie nicht wollen, müssen Sie sich selbstverständlich nicht impfen lassen. Sie sollten allerdings bedenken, dass es eine ungewisse Zeit dauern kann, bis Sie einen Termin mit einem Impfstoff ihrer Wahl bekommen. So lange sind Sie weiterhin einem deutlich erhöhten Risiko einer gegebenenfalls schweren Covid-19-Erkrankung ausgesetzt. Sprechen Sie doch mit Ihrem Arzt über Ihre Ängste. Oft können diese in einem aufklärenden Gespräch beseitigt werden.

Selda M., 41: Ich habe Angst, dass eine Impfung sich auf die Fruchtbarkeit auswirkt.

Dr. med. Karlheinz Zeilberger: Dass die Impfung negative Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit hat, das stimmt nicht.

Werner C., 71: Ich habe Corona überstanden. Ich war deshalb im Oktober/November 2020 auf der Intensivstation, wurde beatmet und so weiter. Derzeit habe ich noch sehr hohe Antikörperwerte. Soll ich mich impfen lassen?

Dr. Karlheinz Zeilberger: Ja, meine Empfehlung lautet klar, dass Sie sich impfen lassen sollten. Die vom Robert-Koch-Institut empfohlene Wartezeit nach einer überstandenen Infektion beträgt sechs Monate, weil dann auch nicht mit einer überschießenden Impfreaktion zu rechnen ist.

Inka V., 34: Die Lehrerin meiner Tochter will sich nicht impfen lassen, ebenso wenig zwei der Hortbetreuerinnen. Wir leben mit den Schwiegereltern in einem Haus, die sind aber erst Ende 60 und noch nicht geimpft. Ich habe Angst, dass meine Tochter sich im Wechselunterricht anstecken kann.

Dr. Karlheinz Zeilberger: Aus medizinischer Sicht ist es für mich nicht nachvollziehbar, wenn sich Lehrer und Hortbetreuer weigern, sich impfen zu lassen. Da sie ja aus beruflichen Gründen ein erhöhtes Risiko der Ansteckung haben, ist man darüber schon erstaunt, dass sie da nicht schon aus Gründen des Eigenschutzes eine Impfung wollen. Je mehr Risikogruppen geimpft sind, desto schneller gelingt es, die Pandemie in der Griff zu bekommen. Den Schwiegereltern würde ich raten, sich für die Impfungen anzumelden.

Christine H., 72: Ich leide unter Diabetes Typ 2 und bin übergewichtig. Am 18. April wurde ich mit Astrazeneca erstgeimpft, da mir der Arzt keine Alternative gab. Ich habe dem Arzt mitgeteilt, dass ich eine Höllenangst vor diesem Impfstoff habe. Besteht aus medizinischer Sicht die Möglichkeit, für die Zweitimpfung einen beliebigen anderen Impfstoff verabreicht zu bekommen?

Dr. Karlheinz Zeilberger: Im Moment ist der Wechsel weg von Astrazeneca bei der Zweitimpfung nur für unter 60-Jährige vorgesehen. In Bezug auf das Umsteigen gibt es zudem noch keine Studiendaten. Man muss sagen, der genaue Impferfolg ist danach noch unbekannt. Ich rate Ihnen, mit Ihrem Hausarzt zu sprechen. Ihre Ängste muss man ernst nehmen. Bei uns Ärzten können die Patienten zusätzliche Aufklärung bekommen, dieser zeitintensive Extra-Aufwand ist trotzdem mit der Impfpauschale von 20 Euro pro Impfung abgegolten. Das ist ein Scherz, wenn man sich vor Augen führt, dass es unser aller Ziel ist, die Ängste der Patienten ernst zu nehmen und sich für jeden die ihm gebührende Zeit zu nehmen.

Hanne F., 48: Wo steht, dass ich geimpft bin? Kann das irgendeiner nachvollziehen? Was ist, wenn ich meinen Impfpass verliere?

Dr. Karlheinz Zeilberger: Der Hausarzt hebt die Dokumentation über die Impfungen zehn Jahre lang auf, da kann man die Dokumentation nachtragen und einen neuen Impfpass ausstellen. Auch wenn das natürlich eine Heiden-Zusatzarbeit ist: Es lohnt sich. So kann der Patient den Impfstatus selbst nachprüfen.

Ulrich V., 81: Ich lebe mit einer 20 Jahre jüngeren Frau. Ich bin geimpft, sogar zwei Mal. Aber was ist, wenn ich mich dennoch infiziere? Kann ich dann andere anstecken, auch meine Partnerin?

Dr. Karlheinz Zeilberger: Bei Geimpften ist, selbst wenn sie sich mit Corona anstecken, was selten der Fall ist, die Viruslast niedriger und die Ausscheidungszeit geringer. Genaueres ist noch unklar. Der Rat ist also, alle Maßnahmen einzuhalten. Auch wenn das Risiko deutlich niedriger ist, kann man die Restgefahr nicht genau beziffern. Wenn Ihre Frau über 60 ist, kann sie sich zur freiwilligen Impfung anmelden, das wäre sinnvoll.

Jan A., 36: Ich hatte im September Corona. Nach meiner Infektion sind auch Antikörper festgestellt worden. Allerdings ist das inzwischen schon sechs Monate her. Reicht jetzt trotzdem – wie von der Ständigen Impfkommission (Stiko) empfohlen – nur eine Impfung, egal welchen Stoffes?

Dr. Karlheinz Zeilberger: Die aktuellen Empfehlungen sind, dass eine Boosterung (= Impfung), egal welcher Impfstoff, als ausreichend angesehen wird. Wegen der bestehenden Immunität nach einer durchgemachten Infektion kommt es durch die einmalige Impfung zu einer sehr guten Immunantwort.

ZUSAMMENGEFASST VON SUSANNE SASSE

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