Istanbul – „Türkei unbegrenzt, jetzt ohne Türken erhältlich“, heißt es auf einem Satire-Werbeplakat für Urlaub an den mediterranen Küsten des Landes. Zwei Kinder laufen an einem Strand entlang, weiter unten steht: „Machen Sie sich keine Sorgen, Millionen sind zu Hause.“ Die Türken reagieren in den sozialen Medien mit Witz und Zynismus auf eine umstrittene Lockdown-Regelung: Die Menschen dürfen bis zum 17. Mai nur aus dringenden Gründen wie zum Einkaufen oder Arztbesuch auf die Straße. Einige Berufsgruppen sind ausgenommen – und Touristen. Sie dürfen sich frei bewegen.
Es kommt zu absurden Szenen: Einem Türken in der Urlaubsregion Datca wurde erst kürzlich eine Strafe aufgebrummt, weil er schwimmen ging. Ukrainische Touristen dagegen blieben unbehelligt. Die Regelung sorgt wie auch ein Verkaufsverbot für Alkohol für Unmut in der türkischen Bevölkerung. In der Istanbuler Altstadt etwa haben Touristen den Platz zwischen der berühmten Hagia Sophia und der Blauen Moschee quasi für sich. Polizisten kontrollieren den Zutritt. „Ich fühle mich wie jemand Besonderes in Istanbul“, sagt der 34-jährige Niederländer Arif lachend. Er habe sein Ticket schon Monate im Voraus gebucht und sei froh, gekommen zu sein.
Hinter der umstrittenen Regelung steht der Versuch des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, die hohen Fallzahlen in den Griff zu bekommen und zugleich die angeschlagene Wirtschaft zu schonen. Die tägliche Zahl der Neuinfektionen lag noch Mitte April bei mehr als 60 000 Fällen in dem Land, in dem etwa gleich viele Menschen leben wie in Deutschland.
Der Tourismus in der Türkei war im vergangenen Jahr um rund 70 Prozent eingebrochen. Die Bevölkerung leidet ohnehin schon unter der hohen Inflation von rund 17 Prozent. Vor allem Lebensmittel werden immer teurer. Vergangene Woche hatte der türkische Außenminister eindringlich bei den Deutschen für Sommerurlaub in der Türkei geworben. Jeden, den Touristen zu Gesicht bekommen könnten, werde man bis Ende Mai impfen, versprach Mevlüt Cavusoglu – und löste damit gleich noch mehr Frustration aus.
„Wir fühlen uns schon manchmal wie Flüchtlinge in unserem eigenen Land“, sagt Ticketverkäufer Durukan (23). Viele hätten das Gefühl, dass die eigenen Bürger nicht ernst genommen würden. Der Ausnahmeregelung für Touristen steht er wie viele andere Türken gespalten gegenüber. „Wenn es diese Sonderregelung nicht geben würde, wäre ich arbeitslos, aber für unsere Gesundheit ist das natürlich gar nicht gut“, sagt er. dpa