Seefeld – Seit fast 30 Jahren brennt im Herrgottswinkel der Familie Pleyer in Seefeld im Landkreis Starnberg ein Licht. „Ich habe die Kerze dort hingestellt, als Dank für den Unbekannten, dessen Herz das Leben meines Mannes Johann gerettet und uns 30 weitere glückliche Jahre zusammen geschenkt hat“, sagt Barbara Pleyer. Aber nun musste ihr Mann doch gehen. Johann Pleyer starb am 29. April im Alter von 81 Jahren.
„Wir waren 62 Jahre lang ein Paar und 55 Jahre lang verheiratet“, erzählt die 77-Jährige. Den Verlust ihres Mannes kann sie noch gar nicht fassen – auch wenn sie schon einmal vor Jahrzehnten eine bange Zeit verbrachte, weil sie nicht wusste, ob ihr Johann weiterleben kann.
Johann Pleyer hatte zwei Herzinfarkte, kurz hintereinander, und die zogen sein Herz so sehr in Mitleidenschaft, dass es drohte, mit dem Schlagen aufzuhören. Ein halbes Jahr wartete er damals auf ein Spenderherz. Am 13. November 1991 bekam er eines.
„Sie können sich nicht vorstellen, wie sehr ich damals mit meinem Sohn Michael daheim saß und bangte“, erzählt Barbara Pleyer. Dann ging aber erst einmal alles schneller und besser als erwartet. „Schon nach zehn Tagen rief jemand aus Großhadern bei mir an und erzählte: Er atmet schon wieder alleine und ist weg von der Herzmaschine.“ Seine Frau durfte ihren Johann sogar kurz auf der Intensivstation besuchen. „Das war damals spitze in Großhadern, er durfte so schnell auf Reha, dass ich es kaum glauben konnte“, erzählt seine Witwe.
Dort gab es einen Rückschlag. Johann Pleyer bekam Husten und als er nach Großhadern zur Nachkontrolle ging, behielt man ihn gleich dort. Es hatte sich Wasser in seiner Lunge angesammelt. „Dann musste er noch mal operiert werden und danach dauerte es drei Monate, bis er die Klinik wieder verlassen konnte“, erinnert sich Barbara Pleyer.
Was folgte, waren fast 30 schöne Jahre, die ihm das Spenderherz geschenkt hat, ihrem Johann. Barbara Pleyer ist bis heute dankbar. Wer der Spender damals war, das weiß sie bis heute nicht. „Mein Johann hätte das schon sehr gerne erfahren, wir wussten aber nur, dass das Herz aus Dänemark kam.“
Als das Herz ihrem Mann eingesetzt wurde, tat sie damals ein Gelöbnis: dass für den anonymen Spender ein Licht brennen würde, solange Johann mit seinem Herzen weiterleben, weiter glücklich sein, weiter die Natur genießen und weiter für seine Familie da sein kann. „Es ist natürlich eine Kerze mit Batterie, ich kann ja nicht im Herrgottswinkel Tag und Nacht eine Kerze brennen haben“, sagt sie. Jetzt gerade wird das Licht schwächer. „Ich werde abwarten, bis die Batterie ganz leer ist und das Licht verlischt, und im Herzen Abschied nehmen.“
Selbst hat Barbara Pleyer seit vielen Jahrzehnten einen Organspenderausweis. „Für mich ist das selbstverständlich, man muss sich das mal vorstellen: Fast 30 Jahre lang hat das Spenderherz geschlagen, das ist mehr als die Hälfte des Lebens meines Sohnes, und der ist jetzt 52.“
Ein Naturbursche war er, ihr Johann. Er liebte es, mit der Weimeraner-Hündin Vreni und dem Raubart-Rüden Aron rauszugehen, am liebsten rauf auf einen Berg. Seine allergrößte Leidenschaft war das Angeln: „Unseren Sohn hat er schon mit zum Fischen genommen, da konnte der noch nicht mal sprechen“, erzählt Barbara Pleyer. Wie der Vater, von Beruf Feinmechaniker und lange Jahre bei Dornier tätig, ist auch der Sohn technikbegeistert. Michael Pleyer ist Ingenieur und arbeitet bei BMW in Garching am Auto der Zukunft. Michael hat im Garten einen Weiher angelegt. Die Koi-Karpfen darin hat auch sein Vater bis zum Schluss geliebt. Der Garten ist voller blühender Blumen – auch das eine Leidenschaft der Pleyers. „Wir haben sogar die Kirche in Herrsching zu unserer Hochzeit im Jahr 1966 selbst mit Blumen dekoriert“, erinnert sich Barbara Pleyer. Ihr Motto sei immer gewesen: „Wir haben nicht viel Materielles, aber das, was wir haben, das machen wir uns schön.“
30 Jahre zusätzliche Zeit dafür schenkte ihnen das Spenderherz, das damals in Großhadern die Herzchirurgen Professor Peter Überfuhr und Professor Bruno Reichart transplantierten. „Das haben die großartig gemacht. Die Herzchirurgie in Großhadern ist eine ganz tolle Abteilung, ich habe bis heute Kontakt und bekam anlässlich des Todes meines Mannes auch von dort eine Karte“, erzählt Barbara Pleyer gerührt. Die Karte und der viele Zuspruch von Freunden und Bekannten haben sie getröstet, denn nach dem Tod ihres Mannes hat sie tagelang geweint.
Am 4. Mai feierte Barbara Pleyer ganz im Stillen nur mit ihrem Sohn ihren 77. Geburtstag. Tags darauf wurde Johann Pleyer in Meiling im Familiengrab beigesetzt. In seiner Todesanzeige schrieb seine Frau: „Nach fast 30 Jahren hat sein Spenderherz aufgehört zu schlagen.“ Was bleibt, sind all die schönen Erinnerungen und die große Dankbarkeit, dass das Spenderherz ihrem Lebensglück so lange den Takt vorgab.