Viele Menschen warten sehnsüchtig auf ihren Impftermin. Doch es gibt auch viele, die wegen ihrer Krankheitsgeschichte verunsichert sind und Rat brauchen. Der Viren-Experte Professor Franz-Xaver Reichl von der LMU hat sich viel Zeit genommen für unsere Leser und am Telefon Fragen beantwortet. Vor allem ging es ums Impfen. Doch auch andere Themen rund um Corona beschäftigen die Menschen. Das sind die Ratschläge des Experten:
Erna Feicht aus Petershausen: Das Virus soll in Wuhan über Fledermäuse auf den Menschen übergesprungen sein. Wie konnte es so schnell überall auf der Welt auftauchen?
In Fledermäusen in der Nähe von Wuhan hat man Viren gefunden, deren Genmaterial zu 88 Prozent identisch ist mit dem Sars-CoV2-Virus. Die Wissenschaft geht davon aus, dass das Virus von der Fledermaus auf das Pangolin-Tier übertragen wurde. Bei ihm gibt es schon eine Gensequenzübereinstimmung von 98 Prozent. Fatal ist, dass diese Tiere in Asien gegessen werden. Wenn das Fleisch nicht richtig abgekocht ist, können Viren auf den Menschen übertragen werden. Das Sars-CoV2-Virus musste nur noch um zwei Prozent mutieren. Durch die Globalisierung kann sich ein Virus dann so schnell verbreiten, dass es fast zeitgleich zu Infektionen überall auf der Welt kommt. Das sehen wir ja jetzt auch bei den Mutationen.
Ehepaar Strohmeier aus Germering: Wir waren beide im Frühjahr 2020 infiziert. Noch immer ist bei uns eine hohe Antikörperzahl nachgewiesen. Sollen wir uns trotzdem impfen lassen?
Die Zahl der Antikörper hängt von der Schwere der Symptome ab. Wer nur leichte Symptome hatte, hat vielleicht nach drei Monaten schon keine Antikörper mehr. Bei schweren Verläufen halten sie sich bis zu zwölf Monate. Wer wieder genesen ist, sollte nach sechs Monaten eine einzige Impfung erhalten – auch wenn noch Antikörper da sind. Durch die Impfung hat man einen guten Infektionsschutz. Geeignet wäre jeder Impfstoff außer Johnson & Johnson. Denn der wird nur einmal gespritzt, die Stimulation für das Immunsystem wäre für Genesene zu groß.
Angelika Sareiter aus Bad Wiessee: Ich habe nach früheren Virusinfektionen extrem auf die Grippeimpfung reagiert. Nun habe ich Angst vor den Nebenwirkungen der Corona-Infektion. Was raten Sie mir?
Davor brauchen Sie keine Angst zu haben. Nebenwirkungen sollte man bei jeder Impfung spüren. Sie zeigen, dass das Immunsystem angeregt und Antikörper gebildet wurden. Die Nebenwirkungen einer Corona-Impfung stehen in keiner Relation zu einem schweren Verlauf der Krankheit. Eine Infektion kann tausend Mal schlimmer sein. Die Impfstoffe wurden auch an Personen mit Vorerkrankungen getestet. Ich rate Ihnen zu der Impfung.
Andrea Bienhaus aus Peißenberg: Meine Erstimpfung habe ich mit Astrazeneca bekommen, der Folgetermin ist nach neun Wochen angesetzt. Ist das nicht zu früh? Kann ich in der Arztpraxis um einen späteren Termin bitten?
Die höchste Wirksamkeit erzielen Sie bei Astrazeneca mit einer Zweitimpfung nach zwölf Wochen, bei Biontech nach sechs Wochen. Erlaubt wäre die Zweitimpfung auch früher, davon rate ich aber ab. Durch jede Woche geht Wirksamkeit verloren. Auch wegen eines Urlaubs würde ich den Termin nicht verschieben. Sie können bei Ihrem Arzt auf dem Termin nach zwölf Wochen bestehen.
Elisabeth Drexl aus Arzbach: Mein Partner hatte eine Infektion, ich habe dreimal einen PCR-Test gemacht, der immer negativ war. Damals war ich in einer Bestrahlungs-Therapie. Nun wurde bei mir eine sehr hohe Zahl Antikörper nachgewiesen. Kann es sein, dass ich Corona hatte und alle Tests ein falsches Ergebnis angezeigt haben?
Die PCR-Tests sind die genauesten, die es gibt. Es kommt nur ganz selten vor, dass jemand ein negatives Ergebnis bekommt, obwohl er infiziert ist. Wenn Sie dreimal negativ getestet wurden, hatten Sie sehr sicher keine Corona-Infektion. Antikörper können auch auf andere Weise entstehen, das kann auch mit der Bestrahlung zusammenhängen. Gerade wenn Sie ein geschwächtes Immunsystem haben, rate ich Ihnen dringend zu einer Impfung.
Siglinde Lauer aus Seeshaupt: Ich bin einmal mit Astrazeneca geimpft worden. Wenn ich mich bei der Zweitimpfung für Biontech entscheide, sollten dann auch zwölf Wochen dazwischen liegen?
Bei Astrazeneca wirkt eine Zweitimpfung nach zwölf Wochen am besten – auch wenn beim zweiten Mal mit Biontech geimpft wird.
Leserin aus Wielenbach: Ich leide unter Rheuma und nehme Medikamente. Darf ich mich impfen lassen? Mein Sohn hat vor 18 Tagen eine Zeckenimpfung bekommen, wie ist es bei ihm?
Auf jeden Fall sollten Sie sich impfen lassen. Egal, mit welchem Impfstoff. Ihrem Sohn rate ich auch zur Impfung. Man sollte aber 14 Tage Abstand zu anderen Impfungen einhalten.
Gerda Bortenschlager aus Weilheim: Mein Mann und ich hatten uns im Herbst mit Corona infiziert. Beim letzten Test im November waren die Antikörper noch sehr hoch. Sollten wir uns trotzdem jetzt impfen lassen?
Sie gelten noch bis Ende Mai als genesen. Dann sollten Sie sich auf jeden Fall impfen lassen. Alle Impfstoffe außer Johnson & Johnson sind für Genesene geeignet. Es reicht bei Ihnen eine einmalige Impfung, dadurch wird das gesamte Spektrum der Antikörper stimuliert. Es ist nicht gefährlich, wenn noch Antikörper vorhanden sind.
Karl Brutscher aus Miesbach: Meine Frau leidet an einer parkinsonschen Erkrankung, sie ist Pflegegrad 2. Unser Hausarzt hat ihr ein Attest geschrieben. Darin steht, dass sie sich wegen möglichen Nebenwirkungen der Impfung eher nicht impfen lassen sollte. Teilen Sie diese Einschätzung?
Ihre Frau hat ein sehr hohes Risiko, wenn sie nicht geimpft ist. Ich würde ihr zu der Impfung raten. Das Risiko ist in jedem Fall kleiner als eine Corona-Infektion. Alle zugelassenen Impfstoffe sind auch für Menschen mit Vorerkrankungen untersucht worden. Nur Johnson & Johnson würde ich Ihrer Frau nicht empfehlen – weil davon nur eine Dosis verabreicht wird. Dadurch wird das Immunsystem etwas stärker gefordert.
Jutta Nieper aus Grünwald: Ich würde mich gerne impfen lassen, habe aber Allergien, deshalb rät mir mein Arzt ab. Ich bin Jahrgang 1941, vor vielen Jahren habe ich nach einer Impfung einen anaphylaktischen Schock bekommen. Sollte ich mich impfen lassen?
Man weiß, dass auch Menschen mit Vorerkrankungen die Impfung gut vertragen. Eine einzige Ausnahme gibt es aber für alle Impfstoffe: Alle Hersteller raten ab, wenn jemand einmal einen anaphylaktischen Schock hatte – also eine allergische Reaktion, die zu Bewusstlosigkeit geführt hat. Hausärzte und Impfzentren lehnen die Impfung dann ab. Allerdings ist in Allergie-Kliniken die medizinische Sicherheit für die Impfung gegeben. Zu einer stationären Impfung in einer Fachklinik würde ich Ihnen raten. Dorthin sollten Sie alle Dokumente zu Ihren Vorerkrankungen mitnehmen. Die Impfung muss bei Ihnen ärztlich überwacht werden.
Marianne Bader aus Waakirchen: Mein Mann hat eine Gürtelrose. Ist es für ihn gefährlich, sich jetzt impfen zu lassen?
Ich rate dazu, die Gürtelrose erst ausheilen zu lassen. Auch bei anderen akuten Erkrankungen, die im Krankenhaus behandelt werden, ist eine Impfung eine zu große Belastung des Immunsystems.
Alfons Zimmer aus Gilching: Wie gefährlich sind private Sauna-Gänge mit Menschen aus anderen Haushalten? Wie verhalten sich die Aerosole in Saunen?
Saunagänge sind problematisch. Man sitzt eng zusammen, es gibt keine Lüftung – so können sich Aerosole gut verbreiten. Ich würde von Saunabesuchen mit mehreren Personen anderer Haushalte abraten. Wenn ein Infizierter dabei ist, werden Sie sich in der Sauna zu 100 Prozent anstecken, weil die Luft zirkuliert. Wenn noch nicht alle geimpft sind, ist das Risiko sehr groß. Deshalb wird es wohl noch sehr lange dauern, bis öffentliche Saunen wieder öffnen dürfen.
Katharina Köstler aus Miesbach: Ich bin 41. Meine erste Impfung habe ich mit Astrazeneca bekommen. Nun steht die zweite an. Raten Sie mir erneut zu Astrazeneca oder zu Biontech?
Sogenannte Kreuzimpfungen sind erlaubt. Wichtig ist, den Abstand von zwölf Wochen einzuhalten. Eine zweimalige Impfung mit Astrazeneca ist durch Studien gut dokumentiert, dafür gibt es viele Zahlen. Für die Kreuzimpfung noch nicht. Ein Versuchskaninchen sind Sie damit aber nicht. Nur die Erfahrungen mit zweifacher Astrazeneca-Impfung sind einfach größer. Wenn Sie bei der ersten Astrazeneca-Impfung keine schweren Nebenwirkungen hatten, ist es sehr unwahrscheinlich, dass bei einer Zweitimpfung mit Astrazeneca welche auftreten. Aber auch wenn Sie sich für Biontech entscheiden, machen Sie keinen Fehler. Ich rate dennoch eher zu einer Zweitimpfung mit Astrazeneca. Das ist millionenfach passiert und der Schutz ist sehr gut. Möglich geworden sind Kreuzimpfungen nur, weil es in seltenen Fällen zu Hirnvenenthrombosen gekommen ist. Das Risiko dafür ist sehr gering. Und man kann sie gut behandeln, niemand muss daran sterben. Wer etwa vier Tage nach einer Impfung starke Kopfschmerzen hat, sollte zum Arzt gehen.
Leserin aus Erding: Könnten wir es irgendwann mit Mutationen zu tun haben, gegen die die zugelassenen Impfstoffe nicht wirken?
Ja, das ist möglich. Für die Varianten, die wir bis jetzt kennen, wirken die Impfstoffe gut. Sollte eine Mutation auftauchen, bei der die Wirkung nur noch bei 50 Prozent oder weniger liegt, könnten die Hersteller aber sehr schnell einen neuen Impfstoff produzieren. Das könnte innerhalb von vier Wochen passieren. Wir müssten mit dem Impfen dann allerdings von vorne beginnen.
Walter Bergmann: Bei mir wurden in der Schulter geschwollene Lymphknoten festgestellt. Kann man die Spritze auch in den Oberschenkel bekommen?
Das wäre kein Problem. Geimpft wird intramuskulär, das ist auch am Oberschenkel möglich.
Werner Czurda aus Penzberg: Ich hatte im Oktober eine Corona-Infektion mit schwerem Verlauf. Ich lag auf der Intensivstation und wurde beatmet. Noch immer habe ich hohe Antikörperwerte. Die sechs Monate sind nun aber um. Sollte ich mit der Impfung trotzdem noch etwas warten? Muss ich auch mit schweren Nebenwirkungen bei der Impfung rechnen, weil die Infektion schwer war?
Bei schweren Verläufen der Krankheit gibt es mehr Antikörper und sie halten länger, maximal ein Jahr. Nach sechs Monaten rate ich Ihnen aber zu einer einmaligen Impfung. Jeder Impfstoff außer Johnson & Johnson ist dafür geeignet. Vor schweren Nebenwirkungen müssen Sie keine Angst haben.
Maria Müller aus Peißenberg: Wenn eine Person infiziert ist, es aber nicht merkt, weil sie keine Symptome hat, und sich impfen lässt, könnte es dann zu einer Überreaktion kommen? Sollte man sich vor der Impfung testen?
Wer infiziert ist und Symptome hat, sollte sich erst später impfen lassen. Sonst hätte das Immunsystem schwerer zu kämpfen. Überreagieren kann es allerdings nicht. Eventuell wären die Nebenwirkungen stärker. Wer infiziert ist, das aber nicht weiß, weil er keine Symptome hat, hat sehr wahrscheinlich auch einen geringeren Virentiter. Man geht davon aus, dass das Immunsystem die Impfung dann trotz Infektion gut verträgt. Deshalb ist ein Test vor der Impfung auch nicht Pflicht. Wer positiv getestet wurde, sollte besser drei bis sechs Monate warten.
Magret Schmid aus Lenggries: Warum hört man so wenig über Möglichkeiten, Infektionen zu behandeln? Schließlich gibt es ja noch so wenig Impfstoff? Helfen alte Hausmittel oder Gurgeln?
Impfstoffe brauchen wir für die Gesunden – deshalb brauchen wir Unmengen Dosen. Medikamente helfen nur Erkrankten. Zum Beispiel Remdesivir oder ein Entzündungsmedikament. Untersucht wurden auch Antikörpercocktails von Genesenen, sie werden aber nur bei Schwerkranken verwendet, die sonst keine Überlebenschance hätten. Das Gurgeln hat keinen großen Einfluss auf die Viren, sie vermehren sich rapide in tiefen Arealen der Lunge. Viel wichtiger ist das Händedesinfizieren. Auch Hausmittel wie Ingwer oder Dampfbäder helfen gegen Covid-19 nicht. Das Virus ist leider sehr clever, es kann viele Therapiemöglichkeiten umgehen.
Leser aus Rosenheim: Wieso verläuft Covid-19 bei manchen Menschen so schwer? Wieso leiden einige an Langzeitfolgen?
Die Wissenschaft wäre froh, wenn sie wüsste, warum gesunde Menschen oder Hochleistungssportler so schwer erkranken können. Wir wissen nur, dass ältere Personen ein höheres Risiko haben. Man kann nicht vorhersagen, wie eine Infektion verlaufen wird. Auch bei uns an der LMU wird viel dazu geforscht.
Aufgezeichnet: Katrin Woitsch