4 FRAGEN AN
Professor Hans Tremmel ist seit 2010 Vorsitzender des Diözesanrats der Katholiken im Erzbistum München und Freising. Ein enger Vertrauter des Kardinals und ein Vertreter der Laien.
Wie haben Sie auf die Nachricht reagiert?
Mich hat der Kardinal heute Vormittag vorab angerufen. Ich war natürlich sehr überrascht. Aber es passt in seine Konsequenz. Aus meiner Sicht ist es ein starkes, ehrliches, konsequentes und glaubwürdiges Zeichen, das der Kardinal hier setzt. Er klebt nicht am Geld, das hat er gezeigt mit seiner Stiftung. Er klebt nicht am Amt, an seinem Prestige und auch nicht an seiner Macht. Das Leid, das Menschen durch Vertreter der Kirche angetan wurde und das Ausmaß der institutionellen und systemischen Vergehen, das ans Licht kam, hat ihn nachhaltig erschüttert und sein Welt- und Kirchenbild durchaus ins Wanken gebracht.
Ist das das Zeichen, das die Kirche heute braucht?
Ich glaube, die Kirche braucht ein starkes Zeichen, weil das Bild, das die Bischöfe in Deutschland abgeben, desaströs ist. Ohne starkes Zeichen gibt es keinen Aufbruch. Der Kardinal hat hier ein starkes Zeichen gesetzt. Er geht einen geradlinigen Weg und das nötigt mir wirklich Respekt ab. Die Frage der Mitverantwortung einer Institution beantwortet er anders als manche seiner Mitbrüder.
Setzt diese Entscheidung andere Bischöfe wie den Kölner Kardinal Woelki unter Zugzwang?
Das mag sein, das müssen aber Kardinal Woelki und die Erzdiözese Köln beurteilen. Es ist nicht meine Aufgabe, Köln Ratschläge zu geben. Und es ist nicht die Absicht von Kardinal Marx, andere unter Druck zu setzen.
Können Sie sich vorstellen, dass der Papst die Bitte ablehnt?
Ich hoffe sehr, dass der Papst das Gesuch möglichst nicht annimmt. Ich kann aber auch nicht beurteilen, inwiefern in der Vergangenheit auch durch Kardinal Marx individuelle Fehler begangen wurden und wie gravierend die sind. Ich weiß nur, es liegt jetzt nichts Aktuelles vor und er ist auch nicht zum Rücktritt bereit, weil er selber so große Verfehlungen begangen hat, sondern weil er wirklich Verantwortung für die systemischen Fehler in der Institution übernimmt. Er will einen echten Perspektivwechsel vorantreiben hin zu den Opfern sexualisierter Gewalt. Ich würde mir schon wünschen, dass der Weg mit ihm, auch der Synodale Weg, weitergeht, weil ich glaube, dass wir ihn brauchen für den Erneuerungsprozess. Ihn zu verlieren, wäre ein herber Verlust für die Weltkirche.
Interview: Claudia Möllers