Grauer Schotter statt grüner Rasen

von Redaktion

VON SOPHIE LETTL UND JONAS KLÜTER

München – Der Garten als grüner Ort der Erholung. Das gilt längst nicht mehr überall. Nicht wenige Gartenbesitzer bevorzugen die graue Varian-te, den Schottergarten, um sich lästige Gartenarbeit zu ersparen. Auch große Bauherren sind Schotter- oder Steingärten für die gemeinschaftlichen Außenanlagen nicht abgeneigt. Grau spart Geld, so die Rechnung.

Wie viele Hektar Schottergarten es in Deutschland gibt, dazu hat das Bundesumweltministerium nach eigenen Angaben „keine gesicherten Informationen“. Eine Meinung hat man im Ministerium von Svenja Schulze (SPD) aber durchaus. In Schottergärten seien wegen der „Versiegelung des Bodens“ oft „wenige bis keine Pflanzenarten“ zu finden. Deshalb böten sie auch „keine Lebens- und Nahrungsgrundlage für Tiere“, teilte eine Sprecherin mit. Ein Verbot dieser Form des Gartenbaus falle aber in die Zuständigkeit der Länder.

Ottobrunn verbietet, Haar will überzeugen

Dort wird mit dem kargen Trend unterschiedlich umgegangen. In Baden-Württemberg zum Beispiel sind Schottergärten nach Naturschutzgesetz und in Bremen und Hamburg nach Bauordnung verboten. Was das Verbot in der Praxis bedeutet, ist aber nicht immer klar. In Baden-Württemberg zum Beispiel ist zwischen Umwelt- und Wirtschaftsministerium umstritten, ob und für wen eine Rückbaupflicht besteht.

Die Kommunen in Bayern haben durch die Reform der bayerischen Bauordnung seit Februar die Möglichkeit, Schottergärten zu verbieten. Die Gemeinde Ottobrunn im Kreis München ist gerade dabei, das Verbot in ihre neuen Bebauungspläne zu integrieren. „In den Auslegungen gab es bisher noch keinen Widerstand der Bürgerschaft“, sagt der Leiter der Bauverwaltung, Stefan Buck. In Ottobrunn seien Schottergärten zwar nicht sehr verbreitet. Aber es sei „wichtig, dass die Grundstücke begrünt werden“, sagt Buck. „Das Mikroklima wird dadurch beeinflusst: Schottergärten führen zur Aufheizung, während von begrünten Gärten ein Kühlungseffekt ausgeht.“

Die Gemeinde Haar, nicht weit von Ottobrunn entfernt, hat sich gegen ein Verbot entschieden. „Stattdessen wollen wir den Bürgern Positivbeispiele für eine naturnahe Gartengestaltung aufzeigen“, erklärt Ute Dechent, Referentin von Bürgermeister Andreas Bukowski (CSU). Die Gemeinde biete entsprechende Beratungen an. Wer trotzdem einen Schottergarten will, darf ihn aber bauen.

Gerhard von Greve-Dierfeld ist Gartenbauer und Landschaftsgärtner. In seinem Betrieb in Olching im Kreis Fürstenfeldbruck ist er mit dem Thema also von Berufs wegen konfrontiert. „Da sieht ja alles gleich aus – kalt und nicht ansprechend“, urteilt er über Schottergärten. Der Garten sei doch die Visitenkarte eines Hauses. Aber mit der wollten viele möglichst wenig Arbeit haben. „Vor etwa fünf Jahren ging das los, dass die Menschen ihre Vorgärten nicht mehr so pflegeintensiv gestalten wollten“, sagt er. Statt Grün war der Wunsch: „Hauptsache Vinyl und abwaschbar.“ Mit Vinyl sind nicht etwa Schallplatten, sondern die Folie unter dem Kies gemeint. Diese werde „eingelegt, damit das Unkraut von unten nicht durchkommt, und unterschiedlichste Schotter- oder Tierkiese aufgebracht“, erklärt Greve-Dierfeld.

Der Garten als zweites Wohnzimmer

Ob Schottergärten tatsächlich so pflegeleicht sind, ist aber fraglich. „Dort sammeln sich Staub, Laub und Dreck und lassen die Kiesflächen schnell modrig aussehen“, erklärt Greve-Dierfeld. Dabei entstehe Rohkompost und die Natur würde sich den Garten ohne Eingreifen des Menschen letztlich wieder zurückholen. „Durch den Pollenflug keimen Wildpflanzen auf.“ In der Regel Unkraut wie hartnäckiger Löwenzahn oder Disteln. Der Schotter muss dann abgetragen und alles gesäubert werden.

Dass Schottergärten eine große Zukunft haben, glaubt Gerhard von Greve-Dierfeld nicht. Seit etwa zwei Jahren sei der Trend rückläufig, sagt er. Er selber habe seit über einem Jahr keinen Auftrag für einen Schottergarten mehr gehabt. Greve-Dierfeld geht davon aus, dass viele ihren Schottergarten eher rückbauen und „mehr mit Stauden oder Gräsern arbeiten, um Kleingetier anzulocken und eine größere Vielfalt zu schaffen“. Die Diskussion ums Bienensterben lässt grüßen. Und: „Die Menschen wollen es sich einfach immer mehr zu Hause schön machen. Der Garten hat in den letzten Jahren einen hohen Stellenwert bekommen – er ist die Erweiterung des Wohnzimmers.“

Umweltschützer für mehr Blühpflanzen

Die Umweltschützer würden sich darüber freuen. „Schottergärten widersprechen jedem Gedanken zur Verbundenheit mit der Natur“, heißt es vom Naturschutzbund (Nabu). Nach Einschätzung des Bunds für Umwelt und Naturschutz (BUND) braucht es in deutschen Gärten vor allem mehr Blühpflanzen, Sträucher und Bäume. Diese böten Nahrung für Insekten und Lebensraum für andere Organismen. Und mehr noch: „Durch Verdunstungskälte und Schatten können Städte mit der entsprechenden Bepflanzung in Gärten für Abkühlung sorgen“, sagt BUND-Sprecherin Corinna Hölzel. Schottergärten hingegen heizten sich vor allem im Sommer stark auf.

Das betont auch Diplom-Biologin Karin Greiner aus Kleinberghofen im Landkreis Dachau (siehe Kasten). „Welches Tier, welches Insekt fühlt sich in einem Schottergarten bitte wohl?“ Schottergärten seien „schlicht und ergreifend eine Wüste“.

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