München – Die meisten haben in den vergangenen Wochen ihren Impfpass gesucht – und (hoffentlich) gefunden. Ein Blick in das oft ramponierte gelbe Heft aus der Kindheit verrät, wie es um den persönlichen Schutz vor Infektionskrankheiten bestellt ist.
Wenn man dem Corona-Wahnsinn etwas Gutes abgewinnen will: Das Thema Impfen ist in den Fokus gerückt. Und davon profitieren wir alle, nicht nur zur Bekämpfung der Pandemie. Wer gegen diverse Infektionskrankheiten geimpft ist, schützt nicht nur sich selbst, sondern auch seine Familie, Freunde und all diejenigen, mit denen er im Alltag zu tun hat. Der Münchner Internist Dr. Karlheinz Zeilberger erklärt, welche Impfungen Sie neben dem Corona-Vakzin brauchen.
Impfempfehlung für reiselustige Erwachsene
Impfung gegen Hepatitis A und B: Eines gleich vorweg: „Wer gerne in südlichen Ländern Urlaub macht, sollte auf alle Fälle seinen Hepatitis-Impfschutz auf dem Schirm haben – auch wenn die Injektion nicht von allen Krankenkassen übernommen wird und man ihn im Zweifelsfall selber bezahlen muss“, sagt Zeilberger. Denn die Erreger sind weltweit stark verbreitet. Impfen kann man gegen Hepatitis A und B und ist damit gegen bestimmte Formen von Leberentzündungen geschützt.
Gegen das Hepatitis-B-Virus gibt es eine Impfung, die für alle Säuglinge und Kleinkinder sowie für Erwachsene mit hohem Ansteckungsrisiko empfohlen wird. Zur Grundimmunisierung sind drei Impfungen im Abstand von maximal sechs bis zwölf Monaten erforderlich. Danach ist man meistens für mindestens zehn Jahre immun.
Impfempfehlungen für alle Erwachsenen
Viele der Impfungen für Erwachsene sind Kombinationsimpfstoffe – das heißt: Oft ist es nur ein Pieks, der gleichzeitig vor drei oder gar vier Infektionskrankheiten schützt. Die Grundimmunisierung gegen viele Krankheiten ist bei vielen schon in der Kindheit passiert – später ist dann nur noch alle zehn Jahre eine Auffrischung notwendig. „Und keine Angst: Wer länger als zehn Jahre wartet, muss trotzdem nicht wieder bei Null zur Aktivierung des Immunsystems anfangen“, beruhigt Dr. Zeilberger.
1. Dreifach-Impfung gegen Mumps, Masern, Röteln:
Masern gehören zu den ansteckendsten Infektionskrankheiten. Die Viren werden durch Tröpfchen übertragen. Fast jeder Kontakt von ungeschützten Personen mit einem Erkrankten führt zu einer Ansteckung – sogar auf mehrere Meter Entfernung. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt allen Erwachsenen, die nach 1970 geboren sind und nicht bzw. in der Kindheit nur einmal gegen Masern geimpft wurden, eine einmalige Impfung gegen Masern.
Dabei ist die Masern-Impfung in Deutschland die einzige, bei der eine gewisse „Impfpflicht“ besteht: Personen, die in Kitas, Schulen oder Flüchtlingsunterkünften, in Krankenhäusern oder Arztpraxen arbeiten, müssen nach dem Masernschutzgesetz mindestens zwei Masern-Schutzimpfungen oder ein ärztliches Zeugnis über eine ausreichende Immunität gegen Masern nachweisen. Die Impfung erfolgt als Kombinationsimpfung gemeinsam gegen Masern, Mumps und Röteln.
2. Mehrfachimpfung gegen Tetanus, Diphtherie, Kinderlähmung und Keuchhusten
Tetanus: Der Wundstarrkrampf wird durch Bakterien verursacht, die durch eine verunreinigte Wunde in den Körper gelangen – selbst ein unscheinbarer Kratzer oder Stich reicht dafür schon aus.
Die Erreger sind sehr widerstandsfähig und kommen hauptsächlich im Erdreich und im Kot von Tieren vor. Charakteristisch für Tetanus sind die starken Krämpfe. Ist die Atem- und Schluckmuskulatur mit betroffen, droht Ersticken. Die Stiko empfiehlt die Impfung gegen Tetanus allen, die keine oder nur eine unvollständige Grundimmunisierung haben bzw. deren letzte Auffrisch-Impfung länger als zehn Jahre zurückliegt – bei akuten Verletzungen eventuell auch früher. Verwendet wird dabei ein Impfstoff, der zugleich vor Diphterie schützt.
Diphtherie: Auch diese Krankheit wird durch Bakterien verursacht. Der Erreger ist weltweit verbreitet und kann auch von Menschen weitergegeben werden, die nicht daran erkranken. Er bildet ein gefährliches Gift, das Organe wie Herz, Niere und Leber dauerhaft schädigen kann. Dank hoher Impfraten sind Diphtherie-Erkrankungen in Deutschland sehr selten geworden. Dennoch wird eine Impfung dringend empfohlen, da Diphtherie in anderen Ländern noch weit verbreitet ist und daher jederzeit wieder eingeschleppt werden kann.
Auch hier gilt laut Stiko: Die Impfung alle zehn Jahre auffrischen lassen! Im Idealfall kombiniert man die Impfung auch noch mit einem Schutz gegen Kinderlähmung (Polio) und Keuchhusten.
Kinderlähmung: Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich eine Welt ohne Polio zum Ziel gesetzt – in Europa ist das seit 2002 tatsächlich der Fall. Doch ohne ausreichend geimpfte Bevölkerung könnte die Kinderlähmung zurückkehren.
Eine routinemäßige Auffrischung nach dem 18. Lebensjahr wird allen empfohlen, die ein erhöhtes Ansteckungsrisiko haben wie beispielsweise Personal, das mit möglicherweise Erkrankten oder deren Körperausscheidungen in Kontakt kommt, oder Reisende in Regionen, in denen Polio-Erkrankungen noch auftreten.
Keuchhusten: „Bei der nächsten fälligen Impfung gegen Diphtherie und Tetanus sollten Sie Ihren Arzt gleich um ein Kombi-Präparat bitten, das auch vor Pertussis, also dem Keuchhusten, schützt. Diese Empfehlung ist relativ neu. Früher ging man davon aus, dass die Immunisierung aus der Kindheit bis zum Lebensende hält. Inzwischen heißt es, dass jeder Erwachsene mindestens einmalig eine weitere Impfdosis gegen Keuchhusten bekommen sollte“, sagt Zeilberger.
FSME: Das ist die Abkürzung für „Frühsommer-Meningoenzephalitis“ – eine Gehirn-, Hirnhaut- oder Rückenmarkentzündung, die durch Zeckenstiche übertragen wird. „Deshalb sollten sich alle, die sich in FSME-Risikogebieten wie Bayern in der Natur aufhalten, gegen FSME impfen lassen“, sagt Zeilberger. Für die Grundimmunisierung sind drei Impfungen erforderlich. Nach dem üblichen Impfschema wird ein bis drei Monate nach der ersten Impfung die zweite Impfdosis verabreicht. Eine dritte Impfung erfolgt dann ein paar Monate später. Die nachfolgenden Auffrischungen sind je nach Alter alle drei bis fünf Jahre erforderlich.
Impfempfehlung für Erwachsene ab 60 Jahre
Für alle Erwachsenen über 60 Jahren beziehungsweise Risikogruppen empfiehlt die Stiko, Schutzimpfungen gegen drei weitere Krankheiten zu impfen.
Impfung gegen Influenza (Grippe): Eine echte Virusgrippe (Influenza) ist keine einfache Erkältung, sondern eine ernst zu nehmende Erkrankung. Insbesondere chronisch Kranke, Menschen ab 60 Jahre sowie Schwangere sollten sich impfen lassen. „Wir dürfen uns durch den vergangenen Winter nicht täuschen lassen und unvorsichtig werden. Wir hatten wegen der Corona-Maßnahmen wenig Grippefälle, die Influenza wird aber wieder kommen, wenn Abstand, Masken und Kontaktbeschränkungen wegfallen“, sagt Dr. Zeilberger. Die Grippeimpfung sollte jedes Jahr im Oktober oder November durchgeführt werden.
Impfung gegen Pneumokokken: Pneumokokken sind Bakterien, die Lungenentzündungen auslösen können. Deshalb war die Impfung während der Corona-Pandemie als zusätzlicher Schutz für die Atemwege plötzlich auch sehr präsent.
Laut Stiko sollten sich alle Erwachsenen über 60 Jahren gegen Pneumokokken impfen lassen, je nach Gesundheitszustand ist nach sechs Jahren eine Auffrischung notwendig. Pneumokokken-Erkrankungen können zwar mit Antibiotika behandelt werden. Allerdings nehmen Resistenzen zu, so dass die Medikamente schlechter anschlagen.
Impfung gegen Herpes zoster (Gürtelrose): Gürtelrose entsteht durch Viren, die nach einer früheren Windpockenerkrankung bereits im Körper vorhanden sind. Diese nisten sich im Körper in den Nervenzellen ein und können wieder aktiv werden, wenn das Immunsystem im Alter schwächelt. Dabei rufen sie einen schmerzhaften Ausschlag, die Gürtelrose (Zoster), hervor. Deshalb gilt eine Stiko-Empfehlung für alle über 60-Jährigen sowie für über 50-jährige mit schwachem Immunsystem oder Vorerkrankungen wie Diabetes, COPD oder Asthma.