„Defizite gibt es nicht nur beim Lernstoff“

von Redaktion

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Bayerns Schulen sollen in den Sommerferien Angebote machen, um Rückstände aus dem Distanzunterricht aufzuarbeiten. Das will auch ein Sommercamp im Kreis Miesbach. Der Organisator, Religionspädagoge Volker Napiletzki, sieht Nachholbedarf aber nicht nur beim Lernstoff. Je nach finanziellen Möglichkeiten der Eltern können Schüler im Evangelischen Studienzentrum Josefstal für 100 bis 390 Euro zwei Wochen lang schulisches und soziales Lernen verbinden.

Herr Napiletzki, Nachhilfe in einem Sommercamp für Jugendliche war bisher nicht gerade üblich.

Der Diakonie-Präsident hat die kirchliche Jugendarbeit gefragt, ob wir nicht aus unserer Jugendarbeit heraus ein Nachhilfe-Angebot organisieren könnten. Wir haben im Zusammenhang mit anderen Schulprojekten Lehramtsstudierende in unserem Team, die bereit sind, sich einzubringen. Es soll aber nicht primäre Aufgabe des Sommercamps sein, schulische Defizite aufzuholen. Es geht auch um die Stärkung der Persönlichkeit der jungen Menschen.

Soziale Aspekte haben da mehr Gewicht als das Nachholen von verpasstem Lernstoff?

Aus Projekten mit Schulen wissen wir, dass sich natürlich vordergründig alle freuen, sich wieder zu sehen. Aber einige Kinder und Jugendliche haben sich zurückgezogen, tun sich jetzt schwer mit Nähe und verharren im Schneckenhaus. Wir wollen bei Deutsch, Mathe und Englisch helfen, dies aber in einer sozialen Lerngemeinschaft, die die Teilnehmer bei uns für zwei Wochen bilden sollen.

Welche Zielgruppe sprechen Sie an?

Das Platzangebot ist begrenzt, darum beschränken wir uns auf Siebt- bis Neuntklässler aller Schularten. In dieser Altersgruppe soll die Zusammensetzung möglichst heterogen sein. Auch deshalb stellen wir das Aufarbeiten von Defiziten gar nicht so in den Vordergrund und bieten ein buntes Programm. Schulische Nachhilfe beschränkt sich auf Kernfächer und die Vormittage.

Wer braucht jetzt besondere Unterstützung?

Das hängt auch davon ab, wie die Situation in den Familien aufgefangen werden konnte, auch von Wohn- und Lebenssituationen. Wie stark waren die Eltern selbst belastet? Fiel es Kindern aufgrund ihrer Persönlichkeit schwer, sich auf selbstständiges Arbeiten einzulassen? Wir versuchen, über Schulen, soziale Organisationen und Religionsgemeinschaften Jugendliche anzusprechen, die jetzt Unterstützung brauchen. Dass gerade zu ihnen in manchen Fällen der Kontakt abriss, ist auch eine Erfahrung der letzten Monate.

Interview: Stefan Reich

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