Wolfratshausen – „Durchschlagene Dachfenster, beschädigte Dächer, Wasser in Gebäuden, demolierte Fahrzeuge und umgestürzte Bäume“ – ansässige Feuerwehren zeichnen ein düsteres Bild von Montagabend in Wolfratshausen. Die Bilanz in Zahlen fällt ähnlich drastisch aus: Stefan Kießkalt von der Kreisbrandinspektion Bad Tölz-Wolfratshausen spricht am Tag nach dem Unwetter von mehr als 110 Feuerwehreinsätzen, mehr als 70 davon im Stadtgebiet Wolfratshausen. „Vor Ort waren etwa 180 Einsatzkräfte“, sagt Kießkalt. Wir haben gestern – am Tag nach dem Unwetter – vor Ort mit Hagel-Opfern gesprochen.
Das Autohaus: Schaden in Millionenhöhe
Elvis Prekadini ist Teamleiter im Verkauf des Autohauses BMW Schmidt in Gelting. Er sagt: „Alleine hier sind 160 bis 180 Fahrzeuge beschädigt.“ Getroffen hat es alle Autos, die im Außenbereich standen. „Überall sind tiefe Dellen drin, Panoramadächer und Heckscheiben sind durchschlagen worden.“ Prekadini und sein Team sind den ganzen Dienstag mit der Versicherungsabwicklung und dem Abkleben der Fahrzeuge beschäftigt. „Der Schaden dürfte in die Millionen gehen“, schätzt der Verkaufsleiter. Besonders bitter: „Einmal beschädigte Fahrzeuge dürfen wir nie mehr als Neuwagen verkaufen.“ In der Folge seien zahlreiche Stornierungen von Kunden eingegangen. Bemerkt hat Prekadini den Hagel durch die Alarmanlagen am Haus und den Autos. „Ich bin noch in der Nacht hingefahren und habe mich um die Alarmanlagen gekümmert. Mehr war leider nicht zu machen.“
Der Gärtner: Hagel in der Tiefkühltruhe
Dieter Scheller und sein Sohn Leopold Scheller stehen fassungslos vor ihren vier Gewächshäusern. Die Dächer wurden von den golfballgroßen Hagelkörnern durchschlagen. Einige davon hat Dieter Scheller, der einen Gartengestaltungs-Betrieb betreibt, eingefroren. Am Tag nach dem Unwetter nimmt er sie immer wieder ungläubig in die Hand. „So was hatten wir hier noch nie“, sagt der Inhaber, der seit 50 Jahren in Wolfratshausen wohnt.
Die Sorge um die gezüchteten Nektarinen- und Pfirsichbäume ließ den Schellers schon gestern Nacht keine Ruhe. „Wir sind zum Betrieb gefahren, sobald der Hagel nachgelassen hat“, sagt er. Die Folien über den Häusern haben die Gärtner erst heuer neu gespannt – „eine Arbeit von rund sechs Stunden pro Haus“. Weil die Dächer normalerweise nur alle zehn bis zwölf Jahre erneuert werden müssen und nicht versichert waren, ist der Schaden besonders ärgerlich. Die Obstbäume haben aber überlebt. „Die Folien haben die Brocken Gott sei Dank etwas gebremst“, sagt der Gärtner. Am Tag danach macht sich Dieter Scheller mit seinem Sohn gleich an die Aufräumarbeiten. „Es muss weitergehen, so was passiert eben in der Natur.“
Die Heimwerker: Dachziegel zerstört
Thomas Stingl und sein Vater Karl Stingl haben Dachplatten in der Hand – und noch viele vor sich. Der Hagel im Wolfratshauser Ortsteil Waldram hat etwa 20 Platten zerschlagen, Lüftungsauslässe beschädigt, ein nagelneues Fenster durchbrochen. Thomas Stingl sagt: „Ich war beim Laufen, als es losging.“ Er versteckte sich in einer Scheune auf einem Feld vor dem Unwetter. Das gesamte Ausmaß erkannte der junge Erwachsene erst, als er mit seinem Vater am nächsten Tag zum Haus seiner Großeltern fuhr. „Wir reparieren sukzessive die Platten – beim Renovieren waren wir ohnehin schon.“ Vater Karl Stingl ist sich sicher: „So heftig war es in den vergangenen 40 Jahren sicher nicht.“
Der gebürtige Wolfratshauser staunte nicht schlecht, dass es sogar ein neu eingebautes Fenster – senkrecht wohlgemerkt – durchschlagen hatte. „Aber das bekommen wir wieder hin.“
Der Unternehmer: Haus und Garten demoliert
Sebastian Brustmann, Mit-Inhaber der Firma Brumaba im Geretsrieder Ortsteil Gelting, sagt: „Wir waren am Montagabend im familiären Kreis bei einer Probe unserer Danzlmusi im Firmengebäude.“ Was dann passierte, beschreibt der Unternehmer als „Orkan oder Tornado“. Der Wind wechselte im Minutentakt seine Richtung, dann kam der Hagel – golfballgroß, begleitet von mächtigem Donner. „Alle vier Dachfenster unserer Fabrikhalle wurden durchschlagen, es regnete rein“, sagt Brustmann. In der Halle: medizinische Geräte. Brumaba stellt Operationstische, OP-Hocker und Patiententransporter her.
„Die Gerätschaften“, sagt er, „haben glücklicherweise alle überlebt.“ Das Wasser sei zwar zentimeterhoch in der Halle gestanden, aber es seien genug Helfer zum Trockenlegen vor Ort gewesen. Die Stimmung während dieser Arbeit: gespenstisch. „Überall heulten die Sirenen und Alarmanlagen, der Hagel prallte gegen die Hauswände.“ Die Aluminiumfassade ist wohl irreparabel eingedellt. Und auch die gemauerten Wände sind von den Einschusslöchern gezeichnet – die Körner schlugen den Putz der Wand ab.
Privat traf es Brustmann nicht minder schlimm. Der frisch hergerichtete Garten im Wolfratshauser Ortsteil Waldram: verwüstet. „Gestern habe ich ihn mit meiner Frau fertig gepflegt“, sagt er. Einen Tag später können die beiden wieder von vorne anfangen. Auch das Gartenhaus muss repariert werden. Autos traf es in Gelting nahezu flächendeckend – „der Hagel kam so von der Seite“, sagt Brustmann, „dass auch das Unterstellen unter Vordächer nichts verhindern konnte“.
Der Deutsche Wetterdienst prognostiziert noch bis in die Nacht zum heutigen Mittwoch in der Mitte und im Süden Bayerns heftigen Starkregen, Hagel, orkanartige Böen und Gewitter. Auch im Laufe des Mittwochs und in der Nacht zum Donnerstag soll es kräftig gewittern.