München – Jens Sielaff und Constanze Jaudas stehen mit breitem Grinsen im Terminal 1 des Münchner Flughafens. Vorfreude auf Sommer, Sonne, Meer – und auf den Abstand zum Corona-Alltag – schwingt in ihrer Unterhaltung im Wartebereich mit. „Ich bin froh, dass wir jetzt wieder unkompliziert verreisen können“, sagt Sielfaff. Die beiden gehören zu den ersten Passagieren, die am gestrigen Mittwoch ab dem Terminal 1 Münchner Boden verlassen durften. Für das Paar geht es von Ulm über die Landeshauptstadt für eine Woche auf die kanarische Insel La Palma.
Die Familienbesucher
Die Öffnung des Terminal 1 nach knapp siebenmonatiger Pause ist eine Besonderheit – immerhin seit 1. Dezember 2020 wurden alle Flüge am Terminal 2 abgewickelt. Und auch die Reisen der ersten Passagiere haben oft einen emotionalen Hintergrund. „Wir besuchen meine Mutter“, sagt Jaudas. Seit einigen Jahren hatten sich die Ulmer diese Reise vorgenommen – doch während Corona bewusst aufs Fliegen verzichtet. „Ohne die Lockerungen wären wir jetzt nicht hier“, betont Sielaff, während er mit seiner Partnerin auf den Aufruf zum Boarding wartet. „Es ging schneller als erwartet“, meint Constanze Jaudas erleichtert. Was steht im Urlaub an? „Eine Wanderung zu einem Wasserfall, ein bisschen Wellness, ein bisschen Strand – einfach eine gute Mischung zum Entspannen.“ Ähnlich wie den Ulmern geht es auch einer Stuttgarter Familie.
Die Ausgewanderte
Gisela Missbach wohnt seit vier Jahren auf der spanischen Insel La Palma. Eine schwierige Situation während der Pandemie. „Ich habe meine Tochter und meine Enkelin seit August letzten Jahres nicht mehr gesehen“, sagt Missbach, während sie auf ihren Flieger wartet. In der Zwischenzeit hatten die drei per Videotelefonie Kontakt gehalten – „so gut wie jeden Tag“.
Auf den sechswöchigen Besuch von Tochter Jenny Hähnel und Enkelin Amelie hatte sich Missbach so gefreut, dass sie die beiden extra von München abholte. Hähnel erklärt: „Wir kommen von Stuttgart und werden von meiner Mutter ab München begleitet.“ Während der Reisebeschränkungen hatte Hähnel auf Flugreisen verzichtet. „Eine Quarantäne wollten wir nicht in Kauf nehmen.“ Trotz der Aufregung vor dem rund fünfstündigen Flug mit Kind ist die Mutter froh: „Endlich kehrt das Leben zurück.“
Die Urlauber
Familie Werschky sieht das genauso: „Wir haben auf La Palma unseren ersten Flug-Urlaub nach fast zwei Jahren gebucht“, sagt Mutter Nicole. Die Töchter Viktoria und Katharina freuen sich aufs gemeinsame Abschalten und den Aktivurlaub mit der Familie. „Die Sehnsucht nach Meer und Sonne ist schon sehr groß“, verrät die 17-jährige Katharina kurz vor dem Abflug der Familie. Auch ihre ein Jahr jüngere Schwester Viktoria freut sich am meisten aufs Meer. Die Koffer sind bereits aufgegeben – und das Lächeln der Familie zeugt von Vorfreude.
Nach La Palma wären die vier Berliner, die mit einem Zwischenstopp in München auf die kanarische Insel reisen, auch geflogen, wenn eine Anschluss-Quarantäne noch verpflichtend gewesen wäre oder noch wird. „Nach jetzigem Stand fällt das weg, was das Reisen natürlich entspannter macht“, sagt Markus Werschky.
Die Perspektive
Flughafensprecher Ingo Anspach sagt: „Am Mittwoch verlief der Start des T1 mit 50 An- und Abflügen verhältnismäßig ruhig.“ Addiert mit dem Terminal 2 verbuchte der Flughafen rund 400 Starts und Landungen. Etwa 30 000 Passagiere sahen das Rollfeld von oben. „Das sind doppelt so viele wie noch vor zwei Monaten“, sagt Anspach. Aber verglichen mit den Fluggast-Zahlen vor der Pandemie nur rund ein Drittel. „Wir freuen uns, wieder Leben in beiden Terminals zu sehen.“
Läden im Flughafen haben allerdings noch zu großen Teilen geschlossen. Anspach zufolge sollen sie öffnen, wenn genug Passagiere im Gebäude sind, um den Betrieb rentabel zu machen. Apotheken, Drogerien und Supermärkte waren während des Lockdowns geöffnet. Bis auch andere Geschäfte nachziehen, stehen Besucher vor vielen verschlossenen Türen.
Im Hinblick auf die Fluggäste wagt Bettina Rittberger, Pressesprecherin der Lufthansa Group, erste Prognosen: „Im Juli erwarten wir über die gesamte Gruppe wieder 45 Prozent der Passagiere im Vergleich zum Vor-Corona-Niveau, Ende 2021 bis zu 70 Prozent.“ Derweil setzt die Lufthansa auf Strecken mit hoher Nachfrage. „Top 1 sind die Balearen.“ Am 31. Juli werde dorthin erstmals ein Airbus A350 fliegen. „Gleich hinter den Balearen rangiert Griechenland, hier geht es zu zwölf Zielen, so viel wie noch nie“, sagt Rittberger.
Auch Kreta steht hoch im Kurs. Mit Heraklion und Chania fliegt die Lufthansa erstmals zwei Flughäfen der Insel an. Eine Erholung der Luftfahrt vermutet Rittberger aus Sicht der Lufthansa erst „bis Mitte der 2020er Jahre“. Schon jetzt sei die Reiselust aber spürbar. „Die Menschen wollen wieder reisen und Freunde und Familien besuchen.“ Bei Zielen, die man wieder geimpft, genesen oder getestet ansteuern darf, habe die Nachfrage in den vergangenen Wochen um fast 200 Prozent zugenommen.