Das Königreich schöpft leise Hoffnung

von Redaktion

Britische Experten warten gespannt, wie sich die neuerliche Lockerung der Corona-Maßnahmen auswirkt

München – Die Welle kam mit Wucht. Und sie kam mit Ansage, meinten viele Experten. Nach weitgehenden Lockerungen der Corona-Maßnahmen explodierten ab Mai die Fallzahlen im Vereinigten Königreich. Knapp 50 000 neue Corona-Fälle zählte man Mitte Juli in Großbritannien – pro Tag. Seit ein paar Tagen geht die Zahl der neu gemeldeten Fälle trotz zusätzlicher Öffnungsschritte zurück. Noch herrscht aber Skepsis, ob man über den Berg ist.

Der Epidemiologe Neil Ferguson vom Imperial College London hatte noch in der vergangenen Woche erklärt, es sei „beinahe unausweichlich“, dass die täglichen Neuinfektionen die Marke von 100 000 bald überschreiten. Jetzt scheint es zumindest, als könnte es anders kommen. Erstmals seit Februar sanken die Fallzahlen an fünf Tagen in Folge –auf noch 29 000 am Sonntag. Der über sieben Tage gemittelte Durchschnitt der täglichen Fälle lag am Sonntag 15 Prozent unter dem Wert der Vorwoche.

Ein Teil dieses Rückgangs ergibt sich aus den schottischen Zahlen, die schon früher und deutlicher sanken, wohl wegen anderer Regeln für Schulen und mutmaßlich auch wegen des früheren Ausscheidens der Schotten bei der Fußball-EM. Ein Teil des Rückgangs für das Königreich dürfte sich damit erklären lassen, dass zuletzt auch wieder weniger Schnelltests durchgeführt wurden. Zudem war das Wetter gut, Kontakte fanden draußen statt.

Spekuliert wird auch über die Rolle von Verhaltensänderungen. Der Gedanke: Gelten Masken- und Abstandsgebot nicht mehr, sorgt das vielleicht in manchen Bereichen für mehr Infektionen. Gleichzeitig reduzieren einige Menschen aus Angst vor Ansteckung Kontakte in der Öffentlichkeit.

Der Höchststand der täglichen Neuinfektionen war am 17. Juli erreicht, zwei Tage vor der Aufhebung von Maskenpflicht, Abstandsgebot und Clubschließungen. Wie die Lockerungen sich nun auf die Fallzahlen auswirken, könne man frühestens gegen Ende dieser Woche sehen, sagen britische Epidemiologen. Auch die Schulferien, die gerade begonnen haben und im September enden, dürften die Zahlen der kommenden Monate beeinflussen.

Genug Futter für das Virus gebe es noch, sagte der Epidemiologe Mark Woolhouse der BBC. Allein acht Millionen Erwachsene seien ohne Impfung. Und die Briten hatten stark auf den Impfstoff von Astrazeneca gesetzt, der nicht so effektiv gegen Infektionen mit der Delta-Variante schützt wie andere.

Guten Schutz gegen schwere Verläufe bietet das Vakzin dennoch. Und hier ist der Unterschied zur Winter-Welle offensichtlich. Mitte Januar gab es täglich rund 60 000 Infektionen, und 4000 Covid-Patienten kamen täglich neu in Kliniken. Im Juli lag der Höchststand der täglichen Einweisungen bei 917.

In den Niederlanden war der Scheitel der aktuellen Corona-Welle erst nach Wiedereinführung von Clubschließungen und Sperrstunde überschritten. Die Regierung hatte die Maßnahmen Ende Juni ausgesetzt, die Inzidenz schnellte binnen zwei Wochen von 24 auf 129 Fälle je 100 000 Einwohner in sieben Tagen. Man ruderte zurück und eine Woche später begann die inzwischen auf 414 gestiegene Inzidenz wieder zu fallen, auf derzeit 266.  sr

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