HINTERGRUND

Warum Amerika plötzlich große Impf-Sorgen hat

von Redaktion

Kay Ivey ist aufgebracht. Die 76 Jahre alte Republikanerin ist Gouverneurin des US-Bundesstaates Alabama. „Es ist an der Zeit, den ungeimpften Leuten die Schuld zu geben“, schimpft sie. Ihr Bundesstaat Alabama zählt zu den Schlusslichtern beim Impfen. Und er zählt zu den Staaten, die von der Pandemie aktuell wieder hart getroffen sind.

In den USA herrschte Verwunderung über Iveys Aussage – solch drastische Worte ausgerechnet aus dem Mund einer Republikanerin? Denn es scheint, als sei die Frage des Impfens in den USA mittlerweile auch zu einer politischen Frage geworden, die an Parteilinien verläuft. Dabei wird die Corona-Lage immer ernster. Der US-Gesundheitsexperte Anthony Fauci sagte am Sonntag: „Wir bewegen uns in die falsche Richtung.“

Noch im Frühjahr zählten die USA zu den Musterschülern beim Impfen, inzwischen aber hat sich eine Impfmüdigkeit eingestellt. Rund 49 Prozent der Gesamtbevölkerung sind mittlerweile vollständig immunisiert – Deutschland weist inzwischen eine ganz ähnliche Quote auf. Gleichzeitig steigt die Zahl der Neuinfektionen in den USA seit einigen Wochen wieder an – verantwortlich dafür ist die Delta-Variante.

Einer Studie der Kaiser Family Foundation zufolge ist die Impfquote in den Bezirken, in denen bei der Präsidentenwahl viele für Biden stimmten, deutlich höher als dort, wo Trump viele Stimmen erhielt. Für Aufregung sorgte eine Äußerung des Top-Moderators des konservativen TV-Senders Fox News, Sean Hannity. Er glaube an die Wissenschaft des Impfens, sagte er in seiner Sendung. Wenig später betonte er dann, dass das bloß kein Impfaufruf an alle Amerikaner gewesen sei. Beobachter sehen aber einen leichten Kurswechsel bei dem ehemaligen Trump-Haussender, was das Impfen angeht.

Die Regierung versucht seit Wochen, die Menschen zur Impfung zu bewegen – und hat Fox News und andere Sender wegen der Corona-Berichterstattung kontaktiert. Gesundheitsexperte und Präsidentenberater Fauci betonte schon Anfang Juli: Wenn man sich die Zahl der Menschen ansehe, die an Covid-19 sterben, seien gut 99 Prozent von ihnen nicht geimpft. US-Präsident Joe Biden warnte unlängst vor einer „Pandemie unter Ungeimpften“. Sich impfen zu lassen, sei das „Patriotischste“, was die Bürger jetzt tun könnten.

In Florida ist die Situation besonders alarmierend. Ein Fünftel aller Fälle in den USA wird derzeit dort verzeichnet. In einigen Krankenhäusern wird es wieder eng. Landesweit bewegt sich die Zahl der Einweisungen zwar auf relativ niedrigem Niveau – aber dort, wo wenig Menschen geimpft sind, steigt sie deutlich schneller wieder an. JULIA NAUE

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