Streit um generelle Testpflicht für Urlauber

von Redaktion

VON WOLFGANG HAUSKRECHT UND CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

München/Berlin – In einigen Bundesländern neigen sich die Sommerferien dem Ende entgegen, in anderen wie Bayern und Baden-Württemberg beginnen sie diese Woche erst. Aber die Zahl der Reiserückkehrer, die das Coronavirus im Gepäck haben, steigt schon jetzt spürbar an.

Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete für den Zeitraum 21. Juni bis 18. Juli insgesamt 2402 Neuinfektionen, die auf Deutsche, die im Ausland Urlaub gemacht haben, zurückzuführen sind – das sind zehn Prozent aller gemeldeten Neuinfektionen. Wenige Wochen zuvor lag der Anteil noch bei einem Prozent. Soll die Quote nicht weiter steigen, ist also ein Konzept gefragt. Die Bundesregierung arbeitet daran, aber die Vorstellungen sind offenbar unterschiedlich.

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und Innenminister Horst Seehofer (CSU) wollen eine generelle Testpflicht für alle Reiserückkehrer, die nicht voll geimpft oder genesen sind. Eine generelle Testpflicht gibt es bisher nur für Flugpassagiere. Geht es nach Spahn, sollte künftig grundsätzlich ein Test verlangt werden – egal, von wo und mit welchen Verkehrsmitteln man kommt. Wer weder geimpft ist noch eine Infektion hatte, müsste also auch einen Test machen, wenn er per Auto aus Polen kommt, wo die Inzidenz aktuell nur bei 1,9 liegt (Grafik). Stationäre Grenzkontrollen sind aber dem Vernehmen nach nicht Teil des Konzepts.

Um den Plan gibt es seit Tagen Ärger. Die FDP schimpft: So kritisiert die Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus, der Fokus der Testpflicht solle auf Reisende aus Hochrisiko- und Virusvariantengebieten liegen. Eine maßgebliche Kritikerin sitzt sogar im Kabinett. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hält eine umfassende Testpflicht für unverhältnismäßig.

Aus der CSU wird indes der Druck erhöht. Parteichef Markus Söder sagte am Abend in ARD und ZDF, der Bund habe soeben zugesagt, neue Regeln ab 1. August einzuziehen. Es werde eine „einheitliche Testpflicht nicht nur für Flugreisen, sondern auch beispielsweise für alles was an normalem Autoweg oder Bahnweg kommt“, geben. Dass eine neue Einreiseverordnung erst am 11. September in Kraft treten solle, mache keinen Sinn, das sei „ein Witz“, spottete Söder. „Dann ist überall, selbst in Bayern, die Urlaubszeit schon so gut wie vorbei.“

Bayern selbst werde anders als 2020 während der Ferien keine zusätzlichen Teststationen an den Grenzen aufbauen, sagte Söder. Man werde die Gesundheitsämter aber anweisen, mehr Stichprobenkontrollen der Einreiseanmeldungen zu machen. Es solle in Bayern auch mehr grenznahe Kontrollen im Rahmen der Schleierfahndung geben – also Stichproben bei Heimkehrern.

Ministerin Lambrecht bestätigte eine Einigung gestern zunächst nicht. Gegenwind spürte sie aber auch aus den eigenen Reihen. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bezeichnete die generelle Testpflicht als „aus medizinischer Sicht sehr sinnvoll“. Auch der Frankfurter Virologe Martin Stürmer begrüßt die Idee. „Wir sehen tatsächlich schon, dass Reiserückkehrer gehäuft dazu beitragen, Infektionen nach Deutschland zu bringen“, sagte er. Dass bei Geimpften und Genesenen auf Tests verzichtet wird, auch wenn sie aus Hochrisikogebieten kämen, sei „fahrlässig“, kritisierte Stürmer. Auch die könnten sich mit der Delta-Variante anstecken.

Unabhängig vom Streit um Spahn wurden die bestehenden Regeln vom Kabinett bis 10. September verlängert. Eine Erleichterung gibt es für Einreisende aus Virusvariantengebieten. Bisher müssen auch Genesene und Geimpfte für 14 Tage in Quarantäne. Künftig kann diese vorzeitig beendet werden, wenn die Region während der Quarantänezeit nicht mehr als Virusvariantengebiet gilt.

Spanien ist wieder Hochinzidenzgebiet

Derweil steigen in beliebten Urlaubsländern die 7-Tage-Inzidenzen weiter an. In Spanien liegt sie aktuell bei 385. Das Land wurde wieder als Hochinzidenzgebiet eingestuft, ebenso wie die Niederlande. Wer ungeimpft von hier zurückkommt, muss nun in Quarantäne. Die Reisebranche kritisierte dies. Nach Angaben des Reiseverbandes DRV machten in der vergangenen Woche etwa 200 000 Pauschalreisende aus Deutschland in Spanien Urlaub. Hinzu kommen insgesamt geschätzt etwa 200 000 Individualurlauber.

Gar kein Urlaub ist weiterhin in den USA möglich. Die Regierung in Washington erklärte, man werde die Reisebeschränkungen wegen der Delta-Variante vorerst beibehalten. Kanzlerin Merkel hatte sich noch im Juli bei ihrem Besuch in Washington für eine Aufhebung eingesetzt.

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