München – Nutzen Baufirmen den aktuellen Boom, um ordentlich Geld zu scheffeln, um Preise durchzusetzen, die so gar nicht gerechtfertigt sind? Handwerkskammer-Präsident Franz Xaver Peteranderl, selbst Bauunternehmer, weist den Vorwurf von Goldgräber-Mentalität in der Branche entschieden zurück. „Es gibt gerade viele Unsicherheiten bei den Handwerkern“, sagt er hingegen.
Als Beispiel nennt Peteranderl den erheblichen Preisanstieg bei den Materialien. „Vom Baustoffhandel bekommen Sie zurzeit allerhöchstens Tagespreise genannt“, erklärt der Handwerkskammer-Präsident. Damit aber könne man nicht kalkulieren und so keine endgültigen Angebote abgeben. Zudem müsse einberechnet werden, dass sich die Marktsituation in der Phase zwischen Kalkulation, Zuschlag und Baustart schon wieder grundlegend verändert haben könnte.
Warum steigen aber auch die Preise bei Arbeiten ohne Material, zum Beispiel beim Erdaushub? Das hänge mit Entsorgungsproblemen zusammen, sagt Peteranderl. „Wo soll, wo darf der Aushub noch hin?“ Kontrollen und Aufwand würden hier immer größer, die Fahrtwege immer länger. Sein Rat an die betroffenen Kommunen: „Vorher klären, zu welcher Kategorie der Aushub zählt und wo er entsorgt werden kann.“ Das könnte sich für die Bauherren durchaus lohnen.
Der Handwerkskammer-Präsident führt ein weiteres Problem an: den eklatanten Fachkräftemangel. „Viele langjährig Beschäftigte gehen in Rente und können kaum ersetzt werden.“ Auf dem Arbeitsmarkt herrsche Flaute. Die Branche sucht händeringend nach Berufsnachwuchs. Der könne relativ schnell aufsteigen und auch sehr gut verdienen, ködert Peteranderl Schulabgänger. Diese Situation ist dann auch verantwortlich für deutlich höhere Löhne fürs verbliebene Personal.
Umland-Handwerker meiden München
Etliche Firmen reagieren auf diese Situation mit einer Verkleinerung und Verknappung bei den einzelnen Gewerken. Dies hat wiederum zur Folge, dass man nicht mehr die Menge an Aufträgen abwickeln kann, wie es früher mal der Fall war.
In München gebe es noch ein Extra-Problem, ergänzt der Handwerkskammer-Präsident. „Viele Betriebe aus dem Umland wollen nicht mehr nach München reinfahren und nehmen daher keine Aufträge in der Landeshauptstadt mehr an.“ Der Grund laut Peteranderl: Entweder sie stecken stundenlang im Verkehr fest oder finden keine adäquaten Parkplätze mehr. „Viele Parkflächen sind zu Schanigärten geworden.“ Für die öffentlichen Tiefgaragen seien die Handwerker-Fahrzeuge aber zu hoch und der Gehsteig tabu. Damit sei der Einsatz in München schon allein zeitlich nicht mehr kalkulierbar für die Firmen. „Die Handwerksbetriebe haben genügend Aufträge im Umland, deshalb meiden sie die Stadt lieber.“
Dass die Preise generell wieder sinken, bezweifelt Peteranderl stark. „Vielleicht lassen sie ein bisschen nach, aber das alte Niveau wird sicher nicht wieder erreicht.“ Auf Dauer müssten sich private Bauherrn wie Kommunen darauf einstellen. „Es wird nicht mehr wie in Vor-Corona-Zeiten.“
CARMEN ICK-DIETL