„Wir sind nicht der Sherlock Holmes von Jens Spahn“

von Redaktion

Testpflicht für Ungeimpfte: Das halten betroffene Unternehmer von der neuen Regel, die ab 23. August gilt

VON W. HAUSKRECHT, E. ROYER, S. SESSLER UND T. BENEDIKT

München – Für Ungeimpfte wird die Zukunft anstrengender. Friseure, Hotels, Restaurants und Konzerte im Innenbereich, Fitnessstudios, Bäder und auch Kliniken: Wer hier ungeimpft rein will, braucht ab 23. August einen Test – und zwar einen aktuellen, der nicht älter als 24 (Antigen) oder 48 (PCR) Stunden sein darf. Testen, testen, testen lautet also die Devise und ab 11. Oktober muss man die Tests auch noch selber zahlen. Ausnahmen kann es laut Beschluss des Bundes nur bei einer 7-Tage-Inzidenz unter 35 geben. Das scheint unwahrscheinlich, denn die Inzidenz steigt und lag gestern bundesweit bereits bei 25,1.

Aber nicht nur auf die Ungeimpften, auch auf die betroffenen Branchen kommt eine Menge Mehraufwand zu. Wir haben uns umgehört.

Das Hotel

Daniel Schimmer ist jetzt schon unwohl, wenn er an die Testpflicht für Ungeimpfte denkt. „Wir sind perfekte Gastgeber, aber kein medizinisches Fachpersonal“, schimpft der Manager des Hotels „Garmischer Hof“ in Garmisch-Partenkirchen. Er findet, dass es nicht Aufgabe der Hotelangestellten sein sollte, die Test-Zertifikate der Ungeimpften zu prüfen.

Vor zwei Jahren, sagt Schimmer weiter, als die Datenschutzgrundverordnung in Kraft getreten sei, habe es geheißen, das Wichtigste sei, dass alle Daten der Gäste sicher seien und nicht mehr gespeichert werden sollen. Insbesondere die medizinischen Daten. „Und jetzt sollen wir jeden fragen, ob er genesen oder geimpft ist?“ Auch die Formulare der Teststationen, glaubt Schimmer, werden sein Team vor Probleme stellen. „Jede Station hat ein anderes Formular. Wie will ich das auf Echtheit prüfen? Das kann man ja leicht fälschen.“

Ein anderes Hotel im Ort empfängt nur noch Geimpfte. „Das käme für uns niemals in Frage“, sagt Schimmer. „Wir schließen niemanden aus.“ Aber der Hotel-Manager ist vorbereitet. „Wir haben ein paar tausend Schnelltests parat und geschultes Personal“, sagt er. „Wir könnten also auch kurzfristig starten.“

Das Fitnessstudio

Anna Klinke reagiert einigermaßen gelassen auf die neuen Regelungen. „Wir kennen das ganze Spiel schon aus dem Frühjahr bei Inzidenzen über 50“, sagt die Geschäftsführerin der „Hardy’s Fitnessstudios“ mit Filialen in Fürstenfeldbruck, Landsberg und Greifenberg. Trotzdem: Die Vorgaben bedeuteten deutlich mehr Aufwand.

Helfen soll eine App, die extra für die Hardy’s-Studios entwickelt wurde. Darin können die Kunden ihren Test- oder Impfnachweis oder den Status als Genesener hochladen. Je nachdem sind die Sportler dann für 24 bis 48 Stunden (Test), ein halbes Jahre (genesen) oder für ein Jahr (geimpft) freigeschaltet und können das Fitnessstudio normal nutzen.

Wem die App zu kompliziert sei, der könne den Nachweis einfach vorzeigen und auch hinterlegen, verspricht Klinke. So muss nicht bei jedem Besuch der Impfausweis mitgebracht werden. Gerade ältere Menschen hätten im Frühjahr diesen Wunsch geäußert, erzählt Klinke.

Wie sich die neuen Regeln auf die Besucherzahlen auswirken? Laut Klinke schwer zu sagen. Viele Kundenfragen mussten die Hardy’s-Mitarbeiter am Mittwoch noch nicht beantworten. „Aber einige haben schon gefragt, wie das läuft, wenn man den Vertrag pausieren möchte.“

Das Wirtshaus

Bayerns Wirte haben schon einige Pandemie-Wellen auf dem Buckel – viele sind im Nebenberuf Corona-Experten geworden. Und Experten in Sachen Umsetzung von Politiker-Ideen. „Viele Maßnahmen werden für die Praxis nicht zu Ende gedacht“, sagt Gregor Lemke. Er ist Sprecher der Münchner Innenstadtwirte und Wirt des „Augustiner Klosterwirt“ gleich bei der Frauenkirche. Ab dem 23. August geht er davon aus, dass mehr Arbeit auf ihn und sein Personal zukommt. Mal wieder. Dann müssen sie beim Klosterwirt den Impfstatus ihrer Gäste abfragen. „Der ganze Kontrollablauf ist schwierig“, sagt Lemke. „Wir haben eine Außenfläche, die 70 Meter lang ist. Die Besucherströme müssen kanalisiert werden.“ Die Gäste werden jetzt schon platziert, aber in Zukunft müssen noch Impf- und Testdokumente inspiziert werden. Erst dann kann das Riesenschäufele, eine Spezialität des Hauses, bestellt werden. „Ich muss meine Leute schulen, auf was sie zum Beispiel beim Impfpass achten müssen“, sagt Lemke. „Wo überhaupt steht, dass die Impfungen erfolgt sind.

Das alles werden sie beim „Klosterwirt“ natürlich machen – „wir prüfen auf Plausibilität“, sagt Lemke, „aber wir sind nicht der Sherlock Holmes von Gesundheitsminister Jens Spahn.“

Er hat sowieso Sorge, dass die Umsätze bald wieder einbrechen. „Wir haben eine Durchimpfungsquote von 56 Prozent, da kann man im Umkehrschluss rechnen, dass 44 Prozent der Leute bald als Kunden wegfallen“, sagt der Wirt. „Man kann natürlich sagen, die Ungeimpften sind selber schuld, dass sie nicht reindürfen – aber wenn sie für ihren Test zahlen müssen, gehen sie nicht mehr ins Wirtshaus.“ Er geht von einem schwierigen Herbst aus. „Mein Wunsch an die Politik ist, dass sie dieses zarte Wirtshaus-Pflänzchen, das gerade wieder anfängt zu blühen, nicht mit neuen Maßnahmen kaputt macht.“

Das Kino

Erst Mitte Mai durften Bayerns Kinos wieder öffnen, mangels neuer Filme warteten viele bis Juli. „Die Nachfrage ist immens, die Leute sind ausgehungert“, sagt Ulrike Silberbach, Betriebsleiterin des Mathäser Filmpalasts in München. Aber die Situation sei schwierig. Die Auslastung der 4000 Plätze liege bei 25 bis 30 Prozent, dann sei man wegen der Abstandsregeln ausverkauft. Ob jemand geimpft, genesen oder getestet ist, wird derzeit nicht geprüft. Nur Maske und Abstand sind Pflicht.

Bald wird das anders. Silberbach will die politische Entscheidung nicht in Frage stellen, für die Gäste und das Kino sei das aber eine neue Hürde. „Wir haben sowieso das Nadelöhr Einlass, wo wir auch die Kontaktdaten aufnehmen müssen.“ Nun also zusätzlich der Impfstatus – bei 1600 Besuchern in einem Zeitfenster von eineinhalb Stunden zwischen den Vorstellungen. „Das ist zeit- und personalintensiv. Und es kann dazu führen, dass der Kunde sagt: Mir ist der Aufwand zu hoch.“ Ein weiteres Problem: Viele kaufen Tickets noch am Schalter und wissen laut Silberbach oft nicht, was sie an Nachweisen dabei haben müssen.

Wer ab 23. August mit Ticket, aber ungeimpft und ohne Test ins Mathäser kommt, mus damit rechnen, heimgeschickt zu werden. Spontane Tests direkt im Mathäser anzubieten, sei bislang nicht geplant. Die Überlegungen seien zwar noch nicht abgeschlossen, „aber alles, was zu zusätzlichen Stauungen und mehr Personalkosten führt, macht es schwierig“.

Ob der Mathäser vom Hausrecht Gebrauch macht und Ungeimpfte grundsätzlich aussperrt? „Das planen wir nicht“, betont Silberbach.

Der Friseur

Auch bei den körpernahen Dienstleistungen, wozu das Haareschneiden zählt, tritt die 3G-Regel in Kraft. „Das ist schlecht für uns, katastrophal“, sagt Thomas Schweiger, Chef des Ismaninger Friseurs „Monaco Cut“. Er erinnert sich ans Frühjahr, als die Testpflicht bei Friseuren schon einmal anlief. „Da gab es bei uns einen Einbruch.“

Schweiger vermutet, dass vor dem 11. Oktober, wenn die Tests kostenpflichtig werden, noch viel Arbeit auf sein Team wartet. „Danach wahrscheinlich nicht mehr.“ Gut findet er die neuen Beschlüsse nicht. „Es ist ja bis jetzt auch gut gegangen. Jedes halbe Jahr wird uns eine neue Bürde auferlegt. Ich finde, die Maßnahmen sind nicht fair.“

Vorbereitet ist der Friseurmeister trotzdem – er hat Schnelltests im Laden. Wie die Kontrolle der Kunden ablaufen soll, dazu wartet er auf Nachricht von seiner Innung. Ungeimpften einen Haarschnitt zu verwehren, das kommt für ihn nicht in Frage. „Das würde ich nicht machen. Ich denke auch, wir sind zu klein, um uns das leisten zu können.“ Er kann sich vorstellen, einen „Ungeimpften-Tag“ einzuführen, um Bedenken Geimpfter, mit Ungeimpften zusammenzutreffen, zu zerstreuen. „Das finde ich eine sehr gute Idee.“ Was Schweiger noch interessiert: „Zwei meiner Angestellten wollen sich nicht impfen lassen. Ob es für sie spezielle Regelungen gibt, darüber weiß ich bislang nichts.“

Artikel 2 von 3