Loyale Misstöne aus Bayern

von Redaktion

Erstmals liegt die SPD in einer Umfrage vor der Union. Aber wer trägt die Schuld? Kanzlerkandidat Armin Laschet? Oder Markus Söder, der noch immer kaum eine Gelegenheit auslässt, um gegen Laschet zu sticheln. In der Union jedenfalls wird man zunehmend ungehaltener.

VON M. HADEM, J. BLANK UND M. WOCHINGER

Berlin/München – Die Stadiontour soll bei der CSU in diesem Wahlkampf das ersetzen, was sonst die Auftritte in Bierzelten und auf Marktplätzen sind. Vor kleinerem Publikum, aber live im Netz übertragen, werden in kleineren Fußballstadien Wahlkampfreden gehalten. Premiere dieses Formats ist am Dienstagabend in Unterschleißheim bei München. Eine Dreiviertelstunde spricht Markus Söder, gibt sich kämpferisch, wirbt für einen entschlossenen Wahlkampfendspurt. Nur ein Name fällt dabei selten: Armin Laschet.

Erst spät und nur ganze fünf Mal überhaupt erwähnt der bayerische Ministerpräsident den Vorsitzenden der Schwesterpartei CDU – und gemeinsamen Kanzlerkandidaten der Union – in seiner Rede. Ein pragmatischer Ministerpräsident sei Laschet, einer der wisse, wo die Menschen der Schuh drücke. Somit wäre er ein besserer Kanzler als der Bürokrat Olaf Scholz (SPD). Mehr Lob wird es an diesem Abend nicht werden. Zumindest aber auch nicht mehr offene Kritik, mögen sich manche in der CDU denken.

Doch hört man man sich derzeit bei der CSU nach Erklärungen für die desaströsen Umfragen der Union um, fällt er weiterhin sehr oft, der Name Laschet. So sehr sich die Parteispitze in München nach dem Machtkampf um die Kanzlerkandidatur auch um versöhnliche und loyale Töne bemüht, die Niederlage von Markus Söder im Kandidatenpoker gegen den CDU-Chef hallt immer noch nach. „Mit Söder an der Spitze hätten wir die Probleme jetzt nicht“, sagen viele Christsoziale. Und Söder selbst dürfte das ganz ähnlich sehen.

Gestern lag die SPD in einer Forsa-Umfrage erstmals seit Ewigkeiten wieder vor der Union, am 26. September droht den schwarzen Schwesterparteien ein Debakel. Und mehr noch – dürften die Deutschen den nächsten Kanzler direkt wählen, könnte sich SPD-Kandidat Scholz seiner Sache wohl sicher sein.

In der CDU ist man über beide irritiert

Wer sich die Lage in der Union aber genauer anschaut, der merkt schnell, dass das aktuelle Dilemma keineswegs nur Laschet in die Schuhe geschoben werden kann. Zwar trägt er als Kanzlerkandidat natürlich eine besondere Verantwortung, doch auch Söder muss sich berechtigte Fragen an seiner Rolle gefallen lassen.

In der CDU sind viele stinksauer, weil Laschet es in der Flutkatastrophe mit seinem Lacher vergeigt hat, sich als Krisenmanager zu präsentieren. Es gibt aber auch Irritationen über Söder – jüngst, weil er beim offiziellen Wahlkampfauftakt der Union in Berlin erneut nicht auf zahlreiche Spitzen gegen Laschet verzichten wollte. Während Laschets Rede studierte er intensiv sein Handy.

Söders Mahnungen, die Union müsse jetzt „endlich vernünftigen Wahlkampf machen“ und ins Kanzleramt komme man nicht per Schlafwagen, fallen immer auf Laschet zurück. Er erwarte, dass Söder mit seinen Sticheleien aufhöre „und dass er auch den gemeinsamen Wahlsieg mit uns will und er kämpft“, sagte Friedrich Merz laut „Tagesspiegel“ bei einer Veranstaltung im Sauerland.

Der Elefant stehe längst im Raum, sagen andere CDU-Strategen, die über Söders Vorgehen nicht glücklich sind. Der Bayer lenke jedes Mal den Fokus auf Laschet und so vom Mitbewerber ab. Hört man sich unter führenden CDU-Politikern in den Ländern um, gibt es noch viel deutlichere Kritik an Söder. Unfassbar nervig sei dessen Auftreten, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Der CSU-Chef sei destruktiv unterwegs, das komme in der CDU nicht gut an. Doch in hohen CDU-Kreisen wird auch Verständnis für Söder laut. Dass er mit der Lage um Laschet nicht zufrieden sein könne, sei klar. Und nach dem knallharten Zehn-Tage-Machtkampf um die Kanzlerkandidatur im Frühjahr, bei dem Söder Laschet letztlich unterlegen war, könne man von dem CSU-Chef ja kaum verlangen, dass er glücklich sei.

Lob für Laschet wirkt kaum glaubwürdig

Doch es sind nicht nur diese Sticheleien, die in der Union und auch unter den auf Harmonie bedachten konservativen Stammwählern für Unruhe sorgen. Dass Söder sich in den gleichen Reden auch für Laschet ausspricht, wirkt eben wenig glaubwürdig. Die Lage für Söder wird umso schwieriger, wenn man berücksichtigt, wie jedes Wort interpretiert wird: Kritisiert er Laschet zu viel, gilt er als unversöhnlicher Störenfried, weil er ja selbst Kanzler werden wollte. Verzichtet er aus Gründen der Loyalität auf Kritik, wird ihm das in den eigenen Reihen als Führungsschwäche ausgelegt. Was gerne vergessen wird: Die CSU steht in Bayern keineswegs blendend da – jüngst kamen die Christsozialen in einer Umfrage nur noch auf 34,5 Prozent. Deutlich weniger als das bisher historisch schlechte Ergebnis der Bundestagswahl 2017 (38,8 Prozent).

Auch wenn man im Franz-Josef-Strauß-Haus die Gründe hierfür sofort im Bundestrend verortet, auch innerhalb der CSU gibt es wachsenden Unmut über Söders Rolle im Wahlkampf. Während ihm die einen fehlende Loyalität gegenüber Laschet vorwerfen, wünschen sich andere Kritiker das genaue Gegenteil durch eine klarere Kante gegen den CDU-Vorsitzenden. Der Auftritt in Unterschleißheim – bei dem er sicherheitshalber noch einmal eigene Ambitionen auf die Kanzlerkandidatur verneint – klingt so, als sei Söder dieses Dilemma durchaus bewusst.

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