Berlin/München – Wer derzeit in der CSU nach Erklärungen für die desaströsen Umfragen der Union sucht, hört meistens nur einen Namen: Armin Laschet. So sehr sich die Parteispitze in München nach dem Machtkampf um die Kanzlerkandidatur auch um versöhnliche und loyale Töne bemüht, die Niederlage von Markus Söder im Kandidatenpoker gegen den CDU-Chef hallt immer noch nach. „Mit Söder an der Spitze hätten wir die Probleme jetzt nicht“, sagen viele Christsoziale. Und Söder selbst dürfte das ganz ähnlich sehen.
Tatsächlich muss man der Union etwa vier Wochen vor dem Wahltag eine denkbar schlechte Ausgangslage für die anstehende heiße Phase des Wahlkampfs konstatieren. Gestern lag die SPD in einer Forsa-Umfrage erstmals seit Ewigkeiten wieder vor der Union, am 26. September droht den schwarzen Schwesterparteien ein Debakel. Und mehr noch – dürften die Deutschen den nächsten Kanzler direkt wählen, könnte sich SPD-Kandidat Olaf Scholz seiner Sache wohl ziemlich sicher sein.
In der CDU ist man über beide irritiert
Wer sich die Lage in der Union aber genauer anschaut, der merkt schnell, dass das aktuelle Dilemma keineswegs nur Laschet in die Schuhe geschoben werden kann. Zwar trägt er als Kanzlerkandidat natürlich eine besondere Verantwortung, doch auch Söder muss sich berechtigte Fragen an seiner Rolle gefallen lassen.
In der CDU präsentiert sich die Gemengelage ebenfalls kompliziert: Viele sind hier stinksauer, weil Laschet es in der Flutkatastrophe mit seinem unkontrollierten Lacher vergeigt hat, sich als Krisenmanager zu präsentieren. Zugleich gibt es aber auch zunehmende Irritationen über Söder – jüngst etwa, weil er beim offiziellen Wahlkampfauftakt in Berlin am Samstag erneut nicht auf zahlreiche Spitzen gegen Laschet verzichten wollte. Während Laschets Rede studierte er intensiv sein Handy.
Söders Mahnungen, die Union müsse jetzt „endlich vernünftigen Wahlkampf machen“ oder ins Kanzleramt komme man nicht per Schlafwagen, fallen immer auf Laschet zurück. Er erwarte, dass Söder jetzt mit seinen Sticheleien aufhöre „und dass er auch den gemeinsamen Wahlsieg mit uns will und er kämpft“, sagte Friedrich Merz laut „Tagesspiegel“ bei einer Veranstaltung im Sauerland.
Der Elefant stehe längst im Raum, sagen andere CDU-Strategen, die über Söders Vorgehen nicht glücklich sind. Der Bayer lenke jedes Mal den Fokus auf Laschet und so vom Mitbewerber ab. Hört man sich unter führenden CDU-Politikern in den Ländern um, gibt es noch viel deutlichere Kritik an Söder. Unfassbar nervig sei dessen Auftreten, heißt es hinter vorgehaltener Hand. Der CSU-Chef sei destruktiv unterwegs, das komme in der CDU nicht gut an. Söder müsse aufpassen, sich nicht selbst zu schaden.
Doch in hohen CDU-Kreisen wird auch Verständnis für Söder laut. Dass er mit der Lage um Laschet nicht zufrieden sein könne, sei klar. Und nach dem knallharten Zehn-Tage-Machtkampf um die Kanzlerkandidatur im Frühjahr, bei dem Söder Laschet letztlich unterlegen war, könne man von dem CSU-Chef ja kaum verlangen, dass er glücklich sei.
Doch es sind nicht nur diese Sticheleien, die in der Union und auch unter den auf Harmonie bedachten konservativen Stammwählern für Unruhe sorgen. Dass Söder sich in den gleichen Reden auch für Laschet ausspricht, wirkt eben wenig glaubwürdig. Die Lage für Söder wird umso schwieriger, wenn man berücksichtigt, wie jedes Wort interpretiert wird: Kritisiert er Laschet zu viel, gilt er als unversöhnlicher Störenfried, weil er ja selbst Kanzler werden wollte. Verzichtet er aus Gründen der Loyalität auf Kritik, wird ihm das in den eigenen Reihen als Führungsschwäche ausgelegt. Was gerne vergessen wird: Die CSU steht in Bayern keineswegs blendend da – jüngst kamen die Christsozialen in einer Umfrage nur noch auf 34,5 Prozent. Deutlich weniger als das bisher historisch schlechte Ergebnis der Bundestagswahl 2017 (38,8 Prozent).
Die Union setzt bisher kaum eigene Themen
Auch wenn im Franz-Josef-Strauß-Haus die Gründe hierfür sofort im Bundestrend verortet werden – als alleinige Erklärung greift dies zu kurz. Wie Laschet und die CDU haben es auch Söder und die CSU bisher nicht geschafft, im Wahlkampf Themen zu setzen. Corona hier, Steuersenkungsforderungen (auch an den in dieser Frage sehr defensiven Laschet) da und ab und zu ein wenig Klimaschutz – für eine Partei wie die CSU, die sich als Taktgeber versteht, klafft eine gehörige Lücke zwischen Anspruch und Realität. Auch mit der Einschätzung, nicht die SPD, sondern die Grünen seien der Hauptgegner, lag man daneben.
Innerhalb der CSU gibt es deshalb wachsenden Unmut über Söders Rolle im Wahlkampf. Während ihm die einen fehlende Loyalität gegenüber Laschet vorwerfen, wünschen sich andere Kritiker das genaue Gegenteil durch eine klarere Kante gegen den CDU-Vorsitzenden.
Gemeinsame Auftritte gibt es bislang kaum – dabei hätte man sich in der Pandemie sehr leicht zu digitalen Veranstaltungen zusammenschalten können. Beim Auftakt zur Stadiontour gestern Abend in Unterschleißheim fehlte Laschet. Die CSU blieb lieber unter sich.