Frau Professor Münch, sind Ihnen die Sticheleien von Markus Söder in der Union auch aufgefallen?
Ach. Die sticheln doch alle, da sind sie Weltmeister. Nur gemeinsame Fortschritte machen sie keine. Aber ein Funken Wahrheit ist natürlich dabei: Die Öffentlichkeit, in der Armin Laschet einen schweren Stand hat, wartet ja nur auf die nächste Söder-Äußerung. Zudem war klar, dass sich die Rivalität nach den berühmten zehn Tagen nicht in Wohlgefallen auflöst.
Sie meinen den Machtkampf um die Kandidatur?
Ja. Interessant finde ich, dass wir nun in Herrn Merz einen so großen Fürsprecher von Armin Laschet haben. Das war so nicht abzusehen, auch wenn natürlich alle wussten, dass er kein Söder-Freund ist.
Die CSU sagt täglich, dass der Wahlkampf endlich in die Gänge kommen muss.
Das zeigt, wie groß die Unzufriedenheit ist. Und es ist typisch Söder, der glaubt: Viel Druck hilft viel. Nur kann man davon ausgehen, dass Herr Laschet trotz des Drucks aus Bayern seine Persönlichkeit nicht ändern wird.
Was treibt Söder an? Ehrliche Sorge? Oder ist er persönlich beleidigt?
Ich glaube, das liegt in der Persönlichkeit der beiden. Wenn man selbst ein völlig anderes Naturell hat und einen komplett anderen Wahlkampf betreiben würde, ist das Auftreten des anderen einfach schwer zu akzeptieren. Söder hat ein anderes Verständnis als Laschet, wie Parteien im Wahlkampf miteinander in Wettstreit treten müssen. Zudem wird er von allen Seiten bestärkt, dass es mit ihm besser laufen würde. Wobei auch er vom jüngsten Themenwechsel überrascht worden wäre.
Sie meinen die Eskalation in Afghanistan?
Ja. Auch Söder wäre vom Debakel in Afghanistan überrascht worden. Ein Thema, das keiner besetzt hatte.
Hat Afghanistan besondere Folgen für die Union oder trifft es alle gleichermaßen?
Es trifft fast alle gleich. Aber es nährt die von der AfD gestreute Unzufriedenheit der Politikverdrossenen, dass „der Staat“ oder „die Politiker“ handlungsunfähig wären. Selbst Angela Merkel büßt etwas von ihrem Nimbus ein. Aber etwas um die Ecke gedacht, könnte das Laschet sogar helfen.
Wie meinen Sie das?
Alle sprechen davon, wie groß die Fußstapfen der Kanzlerin sind. Jetzt zeigt sich, dass sie womöglich gar keine so großartige Krisenmanagerin ist. Das macht es Laschet etwas einfacher.
Wobei sich die Frage nach der Verantwortung bislang vor allem auf Außenminister und Verteidigungsministerin reduziert.
Ihre Beobachtung ist richtig, die Diskussion ist es nicht. Natürlich trägt die Kanzlerin die Hauptverantwortung, aber auch Horst Seehofer als Innenminister sollte man nicht vergessen.
Zurück zum Wahlkampf: Wird denn genug über Themen diskutiert oder reduziert sich nicht alles auf eher oberflächliche Nebensächlichkeiten?
Als Beobachter wundert man sich schon ein wenig. Aber wenn man sich die Komplexität der Themen ansieht, ist das verständlich. Die Positionen zu Klimaschutz und die Steuer- und Finanzpolitik werden intensiv diskutiert, sind in der Sache aber sehr schwierig. Breite Öffentlichkeit und soziale Netzwerke stürzen sich dann lieber auf Äußerlichkeiten.
Kann sich ein CSU-Vorsitzender eigentlich ganz vom Ergebnis seiner Partei frei machen und sagen: Der Kanzlerkandidat ist schuld?
Söder versucht es, aber natürlich kann er das nicht. Er steckt da in einer schwierigen Situation – das muss man ihm schon zugestehen. Aber richtig ist auch: Seine Themen, allen voran sein starker Fokus auf den Klimaschutz, decken sich nicht unbedingt mit den Herzensanliegen der CSU-Wähler. Vom Rückgang der CSU haben hauptsächlich Parteien rechts der Mitte profitiert, allen voran Freie Wähler und FDP. Könnte sein, dass sich Söder das vorhalten lassen muss.
Söder persönlich hat in Bayern weiter hohe Beliebtheitswerte. Die Werte der CSU dagegen fallen auch in Landtagsumfragen, für die Armin Laschet nichts kann.
Das ist tatsächlich schwierig zu erklären. An Söder gefällt den Leuten, dass er deutlich spricht und Dinge klar benennt. Das ist ein Unterschied zu Armin Laschet und auch Annalena Baerbock.
Was würde in der Union passieren, wenn sie nicht den Kanzler stellt?
Das ist eine Frage, mit der sich auch Markus Söder persönlich beschäftigen dürfte. Erwächst daraus ein Moment wie für Angela Merkel 2002, die nach der Stoiber-Niederlage zur starken Frau wurde? Und natürlich wird sich auch die Landtags-CSU überlegen, dass 2023 ein Wahlkampf mit einem SPD- oder Grünen-Kanzler deutlich leichter wäre.
Söder dürfte mit einem super Ergebnis rechnen.
Vermutlich. Natürlich betreibt er eine solche Entwicklung nicht aktiv. Aber es würde ihn sicher trösten.
Interview: Mike Schier