„Wir müssen weg vom bisherigen Finanzierungssystem“

von Redaktion

INTERVIEW Bayerns Gesundheitsminister fordert mehr Geld für Kinder und Notfälle – Pflege „nicht weniger wichtig als der Klimawandel“

Herr Holetschek, gibt es in Bayern zu viele Krankenhäuser?

Aus meiner Sicht nicht. Uns geht es bei der Krankenhausplanung um eine gute Versorgung in Stadt und Land. Dazu sind in einem Flächenland wie Bayern sicher mehr Kliniken nötig als in anderen Bundesländern. Mit insgesamt über 400 Krankenhäusern und über 73 000 Betten sind wir gut aufgestellt.

In Berlin sind viele Gesundheitspolitiker der Meinung, weniger, aber größere Kliniken würden die Qualität der Behandlung erhöhen.

Auch für uns in Bayern ist Qualität ein entscheidender Faktor. Wir wollen aber keine zentralistische Krankenhausplanung von Berlin aus. Als Freistaat halten wir da dagegen.

Bereits jedes zweite Krankenhaus in Bayern schreibt rote Zahlen. Wie wollen Sie deren Überleben sichern?

Wir dürfen unser Gesundheitssystem nicht noch weiter ökonomisieren. Stattdessen müssen wir in Deutschland wegkommen vom bisherigen Finanzierungssystem über hauptsächlich Fallpauschalen. Wir brauchen eine bessere Vergütung von Vorhaltekosten – vor allem bei der Versorgung von Kindern und Jugendlichen, aber auch in der Notfallversorgung. Das möchte ich nach der Bundestagswahl auch in möglichen Koalitionsverhandlungen ansprechen.

Reicht das?

Natürlich müssen wir uns auch fragen, wie es in der Zukunft weitergeht. Die Gespräche zur sektorenübergreifenden Versorgung zwischen Krankenhäusern und niedergelassenen Ärzten wollen wir in Bayern voranbringen. Auch dass einige Häuser zu integrierten Gesundheitszentren mit stationären und ambulanten Versorgungselementen werden, kann ein Weg in die Zukunft sein. Das ist nur bisher nirgends umsetzbar, weil das Sozialgesetzbuch die Finanzierung nicht deckt. Vom Bund ungeklärte Abrechnungsfragen verhindern hier sinnvolle Projekte.

Bayern selbst investiert derzeit jährlich 643 Mio. Euro in seine Krankenhäuser. Die Kliniken wünschen sich eine Aufstockung.

Wir haben den Betrag erst im Jahr 2018 um 140 Millionen Euro aufgestockt und wollen die Investitionen auf diesem Niveau auch verstetigen. Aber natürlich muss man im Auge behalten, ob dieser Betrag weiterhin ausreicht. Zudem gibt es aktuell erhebliche Gelder vom Bund, allerdings zeitlich befristet.

Neben Geld fehlt Pflegepersonal. Was wollen Sie dagegen unternehmen?

Ich halte das für das zentrale Thema. Und tatsächlich gab es in den letzten Jahren schon einige Verbesserungen, die aber bei Weitem noch nicht ausreichen. Ich glaube, dass man z.B. mit Steuererleichterungen für Pflegekräfte noch einiges erreichen könnte. Entscheidend sind zudem die Arbeitsbedingungen. Der Beruf muss besser mit dem Familienleben in Einklang zu bringen sein. Daran müssen wir alle gemeinsam arbeiten und auch Geld in die Hand nehmen. Denn die Pflege ist als Thema nicht weniger wichtig als der Klimawandel.

Gutes Stichwort. Sind Krankenhäuser nicht auch enorme Energiefresser?

Die Gesundheitsbranche ist Schätzungen zufolge selbst für rund fünf Prozent der nationalen Treibhausgasemissionen verantwortlich. Tatsächlich spielen im Kampf gegen den Klimawandel daher auch die Krankenhäuser eine wichtige Rolle. Ich würde mir ein Förderprogramm des Bundes in der Größenordnung von 500 Millionen Euro jährlich wünschen. Es gibt hier große Möglichkeiten für Verbesserungen, zum Beispiel durch Fotovoltaik auf den Dachflächen.

Interview: Sebastian Horsch

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