München – Manche jungen Menschen hatten schon Angst, dass sie bis zur Eröffnung der Diskotheken graue Haare haben. Oder verheiratet sind. Aber die Bayerische Staatsregierung hat jetzt doch ein spätes Einsehen: Ab heute darf wieder getanzt werden. Die Clubs und Diskotheken dürfen wieder öffnen – nach einem schier unendlichen, 80-wöchigen Lockdown. Sogar Engtanz ist ausdrücklich erlaubt. „Tanz ohne Abstand sowie die Abgabe von Getränken am Tresen ist wie branchenüblich zulässig“, heißt es im Beschluss des Bayerischen Ministerrats.
Aber wer feiern will, der muss sich an die üblichen Regeln halten – für Gäste gilt 3G. Wer nicht geimpft oder genesen ist, muss einen negativen PCR-Test vorweisen. Das gilt auch für ungeimpftes Disco-Personal mit Kundenkontakt, die sich mindestens zweimal wöchentlich PCR-testen lassen müssen. Wer dann mal drin ist im Club, für den ist die Freiheit fast grenzenlos – eine Maskenpflicht gibt es nicht. Unter den identischen Bedingungen dürfen ab heute übrigens auch Bayerns Bordelle wieder öffnen. Wir haben uns aber erst mal unter Clubbetreibern umgehört, was sie von diesem Premieren-Wochenende erwarten.
„Nachtcafé“ in Freising: „Wie Weihnachten“
Der Beat im „Nachtcafé“ kommt derzeit noch von den Handwerkern. In der Freisinger Diskothek von Max Riemensperger, 57, wird viel gehämmert, seit Ministerpräsident Markus Söder den Club-Besitzern vor vier Wochen einen Neustart in Aussicht gestellt hat. Die erste Euphorie über die gute Nachricht wich schnell der Ernüchterung. Egal, ob Dichtungen in der Schankanlage, Kühlsysteme oder Lichtanlage – „vieles, das zehn Jahre problemlos gelaufen und im Lockdown runtergefahren worden ist, hat nicht mehr funktioniert“.
Riemensperger nutzte die vergangenen Wochen aber nicht nur für Reparaturen, sondern auch für Umrüstungsmaßnahmen. Das Lüftungssystem wurde verbessert und Schutzscheiben zwischen den Tischen aufgebaut. Am meisten aber hat der Chef am „Sicherheitsapparat draußen“ gebastelt, wie er es nennt. Er will mit einem digitalen System dafür sorgen, dass die 3G-Kontrollen am Einlass für die Besucher schnell und bequem, aber auch sicher ablaufen. Riemensperger will sein Tanzlokal am 8. Oktober wieder öffnen. Denn das Personal zusammenzutrommeln, ist kompliziert. „Viele haben sich im Lockdown neue Nebentätigkeiten gesucht, auf die sie angewiesen sind. Die wollen sie natürlich nur aufgeben, wenn sicher ist, dass wir nicht in ein paar Wochen wieder schließen müssen.“ Trotzdem ist er glücklich. „Für mich ist das wie Weihnachten und Ostern zusammen“, sagt er.
Universum Wasserburg: Öffnung mit Vollgas
Auch in Wasserburg wird endlich wieder in der Disco getanzt, geflirtet und geknutscht. „Das ist megacool – und auch dass es keine Abstandsregeln gibt“, freut sich Sandra Nikolic. Betriebsleiterin der „Disko Universum“. „Bei Maske und Abstand hätten wir tatsächlich überlegt, ob wir überhaupt aufsperren sollen. Das den Gästen zuzumuten, wäre einfach zu viel.“ Den heutigen Freitag nutzen sie noch zur Vorbereitung – „ab Samstag öffnen wir mit Vollgas“, sagt Nikolic, die den Kabinettsbeschluss sehnsüchtig erwartete. „Mit zitternden Fingern hab ich alle 15 Minuten am Handy die Nachrichten abgefragt“, erzählt sie. Mit 3G habe die Branche ohnehin schon gerechnet. Sie fürchtet allerdings einen Besuchereinbruch, wenn die PCR-Tests kostenpflichtig werden. Auch das Personal müsse 3G vorweisen – das sei überraschend gekommen. „Ein Teil wartet noch auf die Zweit-impfung, einige sind noch gar nicht geimpft. Aber alle sind so heiß und lassen sich liebend gern testen“, sagt sie.
Der Münchner Club setzt auf 2G
„Die ganze Stadt bereitet sich drauf vor aufzusperren“, sagt Tan Loc Nguyen. Er ist Geschäftsführer vom „Enter The Dragon“ am Lenbachplatz in München. Sein Laden ist ein großer Betrieb mit dazugehörigem Restaurant. Die Kontrolle von Impfpässen und Testnachweisen ist für die Belegschaft nichts Neues. „Aber natürlich brauchen wir mehr Personal, das an der Tür kontrolliert und auch Sicherheitsleute auf der Tanzfläche“, sagt er. Die Vorbereitungen laufen schon seit Wochen. Seine Mitarbeiter und er sind gerade dabei, alles für das lang ersehnte Wochenende vorzubereiten. „Wir sind zwar schon alle lang in der Gastronomie, aber jetzt sind wir tatsächlich auch ein bisschen nervös“, sagt Loc.
Um besser planen zu können, hat das „Enter The Dragon“ schon vor Bekanntgabe der neuen Vorschriften festgelegt, dass die 2G-Regel gilt. „Aus unserem Restaurant-Betrieb wissen wir, dass circa 80 Prozent der Leute geimpft sind und dann kommen die Genesenen noch hinzu. Der Anteil, derjenigen, die mit Tests kommen, ist sehr gering.“ Glaubt er denn, dass viele Feierwütige kommen werden? „Ich glaube, es gibt viele, die sich mit ihrer Impfung ausreichend gewappnet und geschützt fühlen, um wieder feiern zu gehen.“
Das „Spinnradl“ hat noch genug Schnaps
Christoph Simon ist Geschäftsführer des „Spinnradl“ am Spitzingsee im Landkreis Miesbach. Er sagt: „Ich habe nachgerechnet: 565 Tage lang waren wir geschlossen. Logisch, dass wir uns freuen, dass es endlich wieder losgeht.“ Er will gleich heute öffnen. „Wir sind auf alle Fälle startklar“, sagt er. Schon vor drei Wochen hatte er beim Großhandel seinen Bedarf an Säften, Cola und Bier angemeldet, am vergangenen Dienstag dann verbindlich bestellt. Am Donnerstag wurde geliefert. „Es geht nur um die Ablaufware, Schnaps haben wir noch ausreichend im Lager. Wir mussten ja im laufenden Betrieb schließen“, sagt Simon. Die Kontrolle der 3G-Regel? „Ist kein großer Aufwand“, meint Simon. Der Türsteher müsse ohnehin die Ausweise kontrollieren. „Dann kann er sich bei der Gelegenheit auch gleich den Impfpass oder das Testergebnis vorlegen lassen.“
Simons 15 Mitarbeiter sind darauf vorbereitet, am Wochenende erstmals wieder im Dienste des Nachtlebens zu stehen. „Wir werden nichts ändern“, sagt Simon. „Die Leute wollen ja genau das, was sie jetzt so lange nicht mehr hatten.“ Deshalb gibt es zur Wiedereröffnung am Wochenende kein besonderes Programm. Stattdessen den üblichen „Spinnradl“-Sound mit Chart-Musik, Hip-Hop und Rock. „Die Evergreens“, sagt Simon – und fast klingt er dabei gerührt.
Schlechte Laune in Wolfratshausen
Sepp Schwarzenbach junior betreibt die „Zeppelin-Bar“ und die „Tingel-Tangel-Bar“ im Wolfratshauser Gewerbegebiet. Außerdem ist er wütend. Eine „maximale Frechheit“, so Schwarzenbach, der die CSU im Stadtrat vertritt, sei die Tatsache, „dass uns erst einen Tag vorher bekannt gegeben wird, wann und unter welchen Voraussetzungen wir wieder öffnen dürfen“. Zwar habe Ministerpräsident Söder bereits Anfang September erklärt, dass die Zwangspause für Discos und Clubs voraussichtlich im Oktober ende. „Doch Details habe ich erst heute erfahren“, sagte Schwarzenbach gestern. Er erinnert an die schlechten Erfahrungen, die er machen musste: Er rüstete die Lüftungsanlagen in seinen Clubs auf, kaufte Plastiktrennscheiben und installierte ein „Personenleitsystem“. Trotzdem hieß es Lockdown und das bedeutete für Monate null Umsatz.
Schwarzenbach wird seine Läden am Wochenende noch nicht aufsperren, er will erst mit seinem Personal sprechen. Auch über die Pflicht zu PCR-Tests für ungeimpfte Mitarbeiter. Es gebe gerade sowieso zu wenig Personal. Deswegen öffnet seine „Tingel-Tangel-Bar“ erst ab 20. November, die „Zeppelin-Bar“ hingegen schon nächstes Wochenende.