Schon länger schart Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán Europas Rechte und EU-Gegner um sich. Am Dienstag war die rechtsextreme Französin Marine Le Pen zu Besuch in Budapest. Orbán kündigte an, künftig stärker zusammenarbeiten zu wollen, da die Parteienlandschaft sich gerade stark verändere: „Wir organisieren uns, wir sind aktiv, wir wollen eine Rolle bei diesem Umbruch spielen“, sagte er.
Ob mit dieser Ankündigung auch der „Huxit“, also der Austritt Ungarns aus der EU, wahrscheinlicher wird? Denn der Frust Orbáns ist groß. „Die EU spricht mit uns und verhält sich uns und den Polen gegenüber so, als wären wir Feinde“, schimpfte er vor einer Woche bei einer Kundgebung in Budapest.
An echte Austrittsdrohungen glaubt der CSU-Außenpolitiker Bernd Posselt jedoch nicht. „Sie hätten in Ungarn auch kein positives Echo. Aktionen wie der Empfang für Frau Le Pen sind bewusste Provokationen, nicht mehr und nicht weniger“, sagt der Osteuropa-Kenner im Gespräch mit unserer Zeitung. Die Mehrheit der Ungarn und in Orbáns eigener Partei seien gegen den Austritt aus der EU. „Mein Eindruck ist, dass viele bürgerliche Stimmen in der Fidesz-Partei diese Haltung kritisch sehen. Aber sie äußern sich nicht öffentlich“, sagt Posselt. Fraglich ist, ob ein Kurs gegen die EU bei den Parlamentswahlen im kommenden Jahr Erfolg hat. „Denn eigentlich ist das Land pluralistisch und pro-europäisch“, sagt Posselt.
Die ungarische Opposition hat sich auf einen gemeinsamen parteilosen Gegenkandidaten für das Ministerpräsidentenamt geeinigt. Péter Márki-Zay ist Vater von sieben Kindern und gilt als konservativ. Als Bürgermeister der als Fidesz-Hochburg geltenden Stadt Hódmezovásárhely spricht er aber auch ein urbanes Milieu an und bekennt sich eindeutig zu Europa.
Zwar kann der Oppositionskandidat nicht auf einen Parteiapparat zurückgreifen, aber besonders ein Umstand könnte ihm im Hinblick auf die Wahl entgegenkommen. „Der Filz wird ein entscheidendes Thema im Wahlkampf sein“, sagt Ungarn-Experte Posselt.
Inwiefern Corona für die Wahlen eine Rolle spielt, wird sich zeigen. 62 Prozent der Menschen sind inzwischen vollständig geimpft. Ungarn sei im Vergleich zu anderen osteuropäischen Nationen gut durch die Krise gekommen, so die Einschätzung von Posselt. Ihm zufolge ist das Rennen um das Ministerpräsidentenamt noch völlig offen. Dass Orbán den Gegenkandidaten offenbar ernst nimmt, zeige schon die aggressive Darstellung des Parteilosen auf Plakaten: Péter Márki-Zay als Marionette, an deren Fäden die Sozialisten ziehen. HEIDI GEYER