Neue Debatte um Impfpflicht für Pfleger und Erzieher

von Redaktion

Baden-Württembergs Gesundheitsminister: „Wir müssen eine Schippe drauflegen“ – Bayerns Staatsregierung bremst vorerst

Lindau/München – Den Limousinen in Lindau entsteigen Damen und Herren mit tief gefurchten Gesichtern. Die sorgenbeladenen Gesundheitsminister der ganzen Republik treffen sich seit gestern in Lindau. Ausgerechnet an dem Tag, an dem in Deutschland ein trauriger Höchstwert von 34 000 Infektionen gezählt wird. Und ausgerechnet im Süden der Republik, der vom Virus derzeit am stärksten gebeutelt wird. „Wir müssen Geschwindigkeit aufnehmen, um vor die Lage zu kommen“, warnt der bayerische Ressortchef Klaus Holetschek (CSU).

Er koordiniert die Runde turnusgemäß, hat sie in seine Heimat Schwaben geholt. Ziel ist, die Minister auf einen gemeinsamen Weg durch den Pandemie-Winter einzuschwören. Die Tagung der Landesminister, zu anderen Zeiten nur mäßig mitreißend, sorgt nun bundesweit für Schlagzeilen – je größer das Machtvakuum in Berlin ist, desto wichtiger sind die Botschaften aus den Ländern.

Forderungen gibt es viele, aber noch wenig Konsens. Aus Baden-Württemberg schallt der Ruf nach einer Impfpflicht für Beschäftigte zum Beispiel in Alten- und Pflegeheimen. „Nachdem wir lange auf Appelle und die Einsicht der Menschen gesetzt haben, ist jetzt der Zeitpunkt gekommen, eine Impfpflicht für Beschäftigte in sensiblen Bereichen wie dem Gesundheits- oder dem Erziehungs- und Bildungswesen zu fordern“, sagt Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne). 2020 seien viele alte Menschen an Corona gestorben, weil das Virus von außen in Einrichtungen getragen worden sei. „Testen löst unser Problem nicht. Wir müssen jetzt eine Schippe drauflegen.“

Aus Luchas früherer Heimat Bayern kommt vorerst Widerspruch. Holetschek sagt, man habe sich in Bayern „im Moment noch darauf verständigt, dass es keine Impfpflicht gibt“. Impfen bleibe freiwillig. Stattdessen solle die Testpflicht in den Einrichtungen für Besucher und Mitarbeiter ausgeweitet werden.

Am Bodensee lässt Holetschek direkt vor dem Tagungshotel demonstrativ einen Impfbus auffahren, ein mobiles Impfzentrum der Malteser. Das soll auch das Ziel der Runde illustrieren, für Auffrischungen zu werben. Auch da gibt es aber noch Zoff: Die Ständige Impfkommission Stiko empfiehlt den dritten Pieks sechs Monate nach der zweiten Dosis bisher erst ab 70 Jahren. Die Gesundheitsminister wollen sie für alle, die einen Antikörpertest gemacht und Bedarf für einen Nachschuss haben. Da könnten schnell zehn Millionen Menschen zusammenkommen. Man sei sich einig in der Runde, sagt auch Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in Lindau. Es mache viel Sinn, dass es sechs Monate nach der Zweitimpfung eine Auffrischung geben solle; zuerst, aber nicht nur für Ältere, Vorerkrankte und medizinisches Personal.

Wo die „Booster“ ausgeteilt werden sollen, ist auch noch unklar. Einige Länder wollen die Impfzentren reaktivieren, andere nicht. Für Bayern, sagt Holetschek im ZDF, die 81 Impfzentren „im Stand-by-Modus“ könne man gerne wieder hochfahren, zudem gebe es 240 mobile Teams, um die Hausärzte beim Pieks zu unterstützen.

Auch beim Umgang mit 2G und 3G gibt es noch keine einheitliche Linie. Holetschek sagt, er schließe flächendeckende 2G-Regeln (also Zugang nur für Geimpfte und Genesene) nicht aus. In einer „Pandemie der Ungeimpften“ sei es gerechtfertigt, so den Kollaps des Gesundheitswesens zu verhindern. „Wenn ich höre, dass ein Tumor-Patient, der operiert werden soll, wieder nach Hause muss, weil das Bett gebraucht wird für einen Covid-Patienten, dann ist das schon eine schwierige Situation.“

CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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