München – Der Begriff „Vorruhestand“ wird gern allgemein verwendet, wenn jemand vorzeitig aus dem Arbeitsleben ausscheidet. Das ist so allerdings nicht ganz korrekt. Genau genommen handelt es sich nur dann um Vorruhestand, wenn ein Arbeitsvertrag unter Berücksichtigung einer Vorruhestandsregelung aufgelöst wird – also über eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, basierend auf dem Altersteilzeitgesetz. Auf diese Form, den Arbeitsvertrag vor dem regulären Rentenalter aufzulösen, gibt es keinen gesetzlichen Anspruch.
Die Auflösung kann auch im Rahmen eines Sozialplans festgelegt sein, etwa für den Fall eines Stellenabbaus. Viele Unternehmen bieten solche Regelungen für Mitarbeiter ab 58 oder 60 Jahren an. In Branchen mit Tarifverträgen stehen die Chancen auf ein vorzeitiges Ausscheiden besser. Das liegt daran, dass viele Gewerkschaften mit den Arbeitgebern Regelungen ausgehandelt haben.
Welches Modell auch immer für einen infrage kommt: In jedem Fall gibt es ziemlich viel zu beachten, will man seinen Lebensabend früher genießen.
Abzüge
Die Besteuerung von Vorruhestandsgeld ist kompliziert und hängt von der Art der Leistung ab. Es macht einen Unterschied, ob es sich um einen Versorgungsbezug oder eine Lohnersatzleistung handelt. Meist ist es unverzichtbar, einen Steuerberater zu konsultieren. Auch mit Blick auf die weiter fällig werdenden Beitragszahlungen in die Sozialversicherung.
Unter bestimmten Voraussetzungen ist Vorruhestandsgeld als Lohnersatzleistung steuerfrei, unterliegt jedoch dem Progressionsvorbehalt. Als Einnahmen aus einem früheren Arbeitsverhältnis sind Vorruhestandsleistungen hingegen lohnsteuerpflichtig. So kann es vorkommen, dass, obwohl nicht mehr gearbeitet wird, weiter Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung fließen. Das sorgt zunächst dafür, dass weniger Geld auf dem Konto landet. Auf der anderen Seite erhöht sich die spätere reguläre Altersrente.
Alternativen
Auch Beschäftigte, die keine Möglichkeit für einen Vorruhestand haben, müssen nicht zwingend bis zum 67. Lebensjahr (die Regelaltersgrenze für alle ab 1964 Geborenen) arbeiten. Allerdings kosten andere Lösungen Geld, auch während der Zeit als Rentner. Denn eine vorzeitige Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung gibt es nur mit Abschlägen.
Die Letzten, die die „Rente mit 63“ ohne Abschlag bekamen, waren Versicherte, die vor 1953 geboren worden sind. Also diejenigen, die heute kurz vor der „70“ stehen. Sie konnten die „Altersrente für besonders langjährig Versicherte“ (mindestens 45 Jahre Versicherungszeit) noch abschlagsfrei beziehen.
Für spätere Jahrgänge wurde das Zugangsalter schrittweise angehoben. Will zum Beispiel jemand, Jahrgang 1958, der im Jahr 2022 seinen 63. Geburtstag feiert, dann auch in Rente, muss er entweder ein Jahr warten, weil die Altersgrenze dafür um zwölf Monate angehoben wurde, oder er nimmt einen Abschlag in Kauf, der für 1958 Geborene 10,8 Prozent ausmacht. Natürlich jeweils nur unter der Voraussetzung, dass die nötigen Versicherungszeiten vorliegen. Für das Beispiel sind das eben die 45 Jahre, für die Rente mit Abschlag 35 Jahre.
„Goldene Zeiten“
Die Älteren erinnern sich noch an die Altersrente für Frauen oder die Altersrente wegen Arbeitslosigkeit oder nach Altersteilzeitarbeit. Diese Renten sind längst Geschichte – auch wenn es aktuell noch Bezieher gibt. Ebenso gibt es noch die vorzeitige Altersrente für Schwerbehinderte. Allerdings läuft auch dort die Anhebung der Altersgrenzen von 60 auf 62 Jahre für den vorzeitigen Bezug und von 63 auf 65 Jahre für den abschlagsfreien Bezug.
Blick zurück: Es gab tatsächlich mal die Möglichkeit, dass zum Beispiel eine 60-Jährige die Frauen-Altersrente beziehen konnte – abschlagsfrei. Letztmalig blieben Frauen mit einer solchen Rente „ungeschoren“, die im Januar 2000 (also vor fast 22 Jahren) Altersrentnerinnen wurden. Dabei ging es um den Geburtsjahrgang Dezember 1939 – Seniorinnen also, die heute knapp 82 Jahre alt sind.
Diese Zeiten sind längst vorbei. Das Renten-Sparpaket griff 1997 tief in die bis dahin geltenden Regeln ein. Eine „echte“ Rente aus der Rentenversicherung, die vor dem 63. Geburtstag beginnt, gibt es nicht mehr. Lediglich Versicherte, die eine Rente wegen Erwerbsminderung beziehen, könnten „Vorruheständler“ der Rentenversicherung genannt werden, ebenso die Gruppe der Schwerbehinderten. Allerdings haben sich beide Gruppen den Renteneinstieg aufgrund ihrer gesundheitlichen Probleme nicht ausgesucht.
Andere Zeiten
Wer heutzutage vorzeitig in Rente will, findet ganz andere Voraussetzungen vor. Er muss gut rechnen und zeitig damit beginnen, finanziell vorzusorgen.
Möchte jemand mit 63 Jahren in den Ruhestand gehen, so kann er – um die fälligen Abschläge zu vermeiden – Ausgleichszahlungen leisten, wie Gundula Sennewald von der Deutschen Rentenversicherung Bund erläutert. Das Flexirenten-Gesetz hat hier die Altersgrenze von 55 auf 50 Jahre herabgesetzt und somit den berechtigten Personenkreis deutlich erweitert.
Jeder Monat des vorgezogenen Rentenbeginns kostet 0,3 Prozent Abschlag, ein Jahr also 3,6 Prozent – lebenslang. Beträgt die zu erwartende Rente beispielsweise 1200 Euro und beabsichtigt die Rentnerin oder der Rentner, zwei Jahre früher aufzuhören, muss ein Abschlag in Höhe von 7,2 Prozent monatlich hingenommen werden, in unserem Beispiel umgerechnet 86,40 Euro. Dieser Abschlag kann mit einer Einmalzahlung ausgeglichen werden. Eine solche kann ab dem 50. Lebensjahr geleistet werden. Anknüpfend an das Beispiel wäre eine Überweisung in Höhe von mehr als 20 000 Euro nötig, um die Abschläge zu vermeiden. Das ist auch in – pro Jahr zwei – Teilzahlungen möglich.
Wer nicht zahlen kann?
Wer diesen Ausgleich nicht stemmen kann und die volle Rente benötigt, dem bleibt nichts anderes übrig, als bis zum Erreichen der gültigen Altersgrenze der jeweiligen Rentenart zu arbeiten. Und das ist für alle ab 1964 Geborenen das 67. Lebensjahr.
Wer auf 45 Jahre Versicherungszeit zurückblicken kann, der darf mit 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. Die Gruppe der Personen, die eine Rente wegen Schwerbehinderung beziehen kann, hat auch aktuell noch die Möglichkeit, spürbar vorzeitig in Rente zu gehen – wenn auch nicht mit 60 Jahren. Wird ein Schwerbehinderter zum Beispiel im Dezember 2021 60 Jahre alt, so kann er im Juni 2023 mit 62 Jahren in Rente gehen. Der Abschlag beträgt dann 10,8 Prozent – es sei denn auch hier, es wurden zusätzlich freiwillige Beiträge in die Rentenkasse eingezahlt. Wer das beabsichtigt, sollte sich in den Auskunfts- und Beratungsstellen oder über das Servicetelefon (0800/ 10 00 48 00) der Deutschen Rentenversicherung beraten lassen. Das ist im Übrigen für alle Fragen rund um die Rente zu empfehlen.
Altersteilzeit
Sprung zurück zum Arbeitsrecht: Die vermutlich lukrativste Form des Ausstiegs aus dem Job (teils deutlich) vor „63“ ist wohl das sogenannte Blockmodell. Dabei reduzieren Beschäftigte beispielsweise für vier Jahre ihre Arbeitszeit, arbeiten in den ersten zwei Jahren voll und in den folgenden zwei Jahren gar nicht mehr. Ihr „Teilzeitgehalt“ ist aber in beiden Blöcken gleich hoch.
Eine zweite Variante ist das Gleichverteilungsmodell, wobei die Arbeitszeit konstant über den vereinbarten Zeitraum aufgeteilt wird. Auch ist es möglich, die Arbeitszeit individuell auf verschiedene Jahre zu verteilen. Das ist möglich, solange die Arbeitszeit während der Gesamtdauer der Altersteilzeit im Schnitt 50 Prozent beträgt.
Eine staatliche Förderung der Altersteilzeit gibt es nicht mehr. Dennoch regeln noch immer viele Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen Altersteilzeitmodelle. Auch individuell ist das möglich. Interessierte fragen in der Personalabteilung oder bei ihrem Betriebsrat nach. So ist oftmals die Anzahl der Beschäftigten begrenzt, die Altersteilzeit machen können.
Mindestalter 55
Grundsätzlich gilt bei der Altersteilzeit, dass eine solche Vereinbarung nur in Anspruch nehmen kann, wer mindestens 55 Jahre alt ist und innerhalb der letzten fünf Jahre vor Beginn der Altersteilzeit mindestens 1080 Kalendertage (drei Jahre) sozialversicherungspflichtig beschäftigt war. Dazu zählen auch Zeiten, in denen man Krankengeld bezogen hat oder arbeitslos war. Auch ist es Voraussetzung, dass die gewählte Altersteilzeit so lange dauern muss, bis eine Rente beantragt werden kann.
Wichtig: 50 Prozent weniger Arbeit heißt nicht 50 Prozent weniger Gehalt. Beschäftigte bekommen einen Aufstockungsbetrag in Höhe von mindestens 20 Prozent – egal ob im Blockmodell oder ob die Arbeitszeit durchgehend um 50 Prozent reduziert wurde. Manche Tarifverträge sind sogar noch großzügiger. Interessierte sollten sich genau überlegen, ob sie mit dem geringeren Gehalt klarkommen. Auch dazu sollte das Gespräch mit der Personalabteilung gesucht werden. In komplizierter gelagerten Fällen hilft ein Beratungsgespräch beim Fachanwalt für Arbeitsrecht.