Glasgow – Tränen, Wutausbrüche und Jubel. Die Emotionen in Glasgow kochten hoch. Am Ende steht ein Ergebnis, das unterschiedlich bewertet wird. Von Meilenstein bis Blabla (Greta Thunberg) reichen die Reaktionen. Fest steht: Die UN-Klimakonferenz in Schottland hat den weltweiten Abschied von der Kohle eingeläutet. Erstmals in der Geschichte der Weltklimagipfel gab es dafür einen Konsens unter den rund 200 Staaten. Im „Klimapakt von Glasgow“ steckt auch die Forderung, „ineffiziente“ Subventionen für Öl, Gas und Kohle zu streichen.
Die Formulierung wurde am Samstagabend aber in letzter Minute auf Druck Chinas und Indiens noch verwässert. Statt von einem Ausstieg ist nur noch von einem Abbau die Rede. Das lässt Fragen offen. Geht alles schnell genug? Verzichten Kohleländer wie China und Indien wirklich irgendwann ganz darauf?
EU-Kommissar Frans Timmermans ließ im Plenum seinem Frust über die Abschwächung freien Lauf. Und als sich mehrere kleinere Staaten bitterlich darüber beschwerten, kämpfte der britische COP26-Präsident Alok Sharma sogar mit den Tränen. „Ich bitte um Verzeihung für die Art, wie das gelaufen ist“, sagte der Gastgeber. Das Gesamtpaket könne sich aber sehen lassen. Auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, äußerte sich ernüchtert. „Es ist ein wichtiger Schritt, aber es ist nicht genug. Es ist Zeit, in den Notfallmodus zu gehen.“ Die Mammutkonferenz „COP26“ mit 40 000 registrierten Teilnehmern sollte eigentlich schon am Freitag enden. Wegen stundenlanger, hitziger Debatten dauerte es aber bis in den Samstagabend. Erst dann gab es den Kompromiss.
Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) sagte am Sonntag: „Was wir in der Schlussphase in Glasgow erlebt haben, war ein letztes Aufbäumen der alten, fossilen Energiewelt.“ Der Kohleausstieg sei nun „unumkehrbar“. Deutschland könne der Welt jetzt zeigen, „wie ein Industrieland mit Strom aus Wind und Sonne sicher versorgt werden kann“. In der Abschlusserklärung bekennen sich die Länder klar zu dem Ziel, die Erderwärmung bei 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu stoppen – und nicht nur auf unter zwei Grad, wie es im Pariser Abkommen von 2015 heißt. Dazu sollen sie bis Ende 2022 ihre Klimaschutzpläne für dieses Jahrzehnt nachschärfen. In der Erklärung wird zudem festgehalten, dass der Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase weltweit in den 20er-Jahren um 45 Prozent sinken muss, soll das 1,5-Grad-Limit erreicht werden.
Umweltorganisationen zogen eine gemischte Bilanz. „Das Ende der fossilen Energieträger kommt näher“, sagte Martin Kaiser, Vorstand von Greenpeace Deutschland. Doch auf Druck der Öl-, Gas- und Kohleindustrien fehlten den Beschlüssen weiter Klarheit und Geschwindigkeit. Der WWF begrüßte „wichtige Schritte nach vorn“, der Wendepunkt zur Erreichung des 1,5-Grad-Zieles sei aber noch nicht erreicht.
Die Klima-Allianz Deutschland sieht Glasgow auch als Auftrag an den Bund. Im Koalitionsvertrag müssten die Ampel-Parteien das Ziel vereinbaren, das deutsche Emissionsminderungsziel für 2030 von 65 auf 70 Prozent zu erhöhen, so das Bündnis zivilgesellschaftlicher Organisationen am Samstag. Dazu müsse der Kohleausstieg bis 2030 umgesetzt sein. Greenpeace fordert von der Ampel-Koalition Sofortmaßnahmen. „So ist der Kohleausstieg bis 2030 zwingend notwendig. Ab heute dürfen unsere Steuergelder nicht mehr für Kohle, Öl und Gas eingesetzt werden.“ Der nächste Gipfel, die COP27, findet im November 2022 in Ägypten statt.