„Rüpel“ oder „Retro“: Merz und die schwierige Schwester

von Redaktion

Nach den Rempeleien mit Söder muss sich das Verhältnis in der Union neu einruckeln – „Müssen uns unterhaken“

München – Es war der Fliegenpilz unter den Komplimenten: auffallend, aber giftig. Im Mai verkündete Markus Söder über Friedrich Merz in mehreren Interviews mit ironischem Unterton: „Ich bin total dankbar, dass er uns Hilfestellung gibt.“ Die Erfahrung, „die Friedrich Merz aus den 90ern als aktiver Politiker hat, hilft uns bestimmt“.

Merz, der Mann aus den 90ern: Das klang wie ein Lob, war aber Söders wenig verklausulierte Warnung vor dem Sauerländer – zu retro, im politischen Management zu unerfahren, mit der Leitung eines Riesenministeriums vielleicht überfordert. Für den Vollblut-Politiker Söder war und ist Merz’ ganze Karriere irritierend: Ausstieg aus der Politik, etliche Millionen verdienen, dann wieder Quereinstieg.

Und jetzt? Sieht es so aus, als müssten beide doch auf Augenhöhe zusammenfinden. Falls Merz bald im dritten Anlauf zum CDU-Vorsitzenden gewählt wird, wonach es derzeit wegen des Basis-Votums aussieht, müssen er und der CSU-Chef ihr Verhältnis auf neue Beine stellen, wenn die Union nicht als Trümmerfeld enden soll.

Vorteil dabei: Söders öffentliche Stichelei war nichts Einseitiges. Merz’ Konter fielen noch direkter aus. Ebenfalls im Wahlkampf schimpfte er mehrfach über die CSU und Söders Umgang mit Kanzlerkandidat Armin Laschet. Im Oktober legte er mit einer Rund-E-Mail nach: „Stillos, respektlos und streckenweise rüpelhaft“ sei der Umgang in der Union gewesen, schrieb Merz.

Man hat sich also etwas zu verzeihen. Da kommt ins Spiel, dass Söder bei aller Härte recht pragmatisch vorgehen kann. „Ich freue mich auf die Zusammenarbeit mit jedem Vorsitzenden“, sagt er unserer Zeitung. „In der Unionsfamilie muss man zusammenhalten.“ Wer auch immer gewinnt – ein Basis-Votum sei eine klare Legitimation. „Wir wollen eine gemeinsame, kraftvolle Opposition bilden. CDU und CSU werden sich unterhaken.“

Wie das Unterhaken dann organisiert wird, ist offen. Merz und die CSU denken an gemeinsame Sitzungen der Parteipräsidien 2022. Zudem ist der direkte Draht nie abgerissen. Man hat die Handy-nummern, nennt sich Markus und Friedrich. Merz war mehrfach zu Gast in der Staatskanzlei, ohne dass das groß bemerkt worden wäre.

Falls Merz gewählt wird, dürften sich die Rollen neu einruckeln. Vermutlich würde der CDU-Chef, der kein Staatsamt hat, keinen Sitz im Bundesrat oder in der Ministerpräsidentenkonferenz, eher die lauten Töne wählen. Für Söder bliebe ein etwas staatstragenderer Part. Bei einem CDU-Chef Norbert Röttgen oder Helge Braun liefe das wohl genau umgekehrt.

Das passt zu den Inhalten: Da gibt es viele Schnittmengen zwischen dem kantigeren, konservativeren Merz und großen Teilen der CSU-Basis. Bei der Migrationspolitik zum Beispiel schlägt Merz Töne an, die man von Söder schon länger nicht mehr hört. Ein Risiko aber bleibt: dass sich die zwei Alphatiere weiterhin als Konkurrenten wahrnehmen – zum Beispiel für eine mögliche Kanzlerkandidatur im Herbst 2025; Merz wäre dann fast 70.

Beteiligte sagen, dass sich der CDU-Kandidat nun auch wieder mehr um die CSU bemühe. Er hat mehrere Kanäle nach Bayern, unter anderem über Fans in der Mittelstands-Union. Eine nicht so bekannte, aber stabile Freundschaft besteht mit Ilse Aigner, der Landtagspräsidentin und Chefin der CSU Oberbayern. Sie duzen sich seit Jahrzehnten, besuchen sich privat. Merz verbringt ja viel Zeit im Ferienhaus am Tegernsee (also in Aigners Stimmkreis), sein BMW trägt sogar ein Miesbacher Nummernschild.

Wobei sich Aigner nicht auf einen CDU-Kandidaten festlegen will. Sie ist auch mit Norbert Röttgen gut befreundet. „Ich will mich da nicht einmischen“, sagt sie auf Nachfrage. Von CSU-Urgestein Peter Gauweiler kam indes neulich ein Kompliment, das nicht in die Fliegenpilz-Kategorie fällt – weil es zwar schlecht klingt, aber gut gemeint ist. Merz habe, so sagte Gauweiler, für den CDU-Vorsitz „die nötigen Eier“. CHRISTIAN DEUTSCHLÄNDER

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