München/Mainz – Der Mainzer Impfstoffhersteller Biontech arbeitet neben laufenden Labortests zur Untersuchung der neuen Corona-Variante Omikron auch an der Entwicklung eines angepassten Impfstoffs – vorbeugend für den Fall, dass dieser notwendig werden könnte. „Um keine Zeit zu verlieren, gehen wir diese beiden Aufgaben parallel an, bis die Daten vorliegen und wir mehr Informationen darüber haben, ob der Impfstoff angepasst werden sollte oder nicht“, teilte eine Biontech-Sprecherin mit.
Gemeinsam mit dem US-Partner Pfizer habe man schon vor Monaten Vorbereitungen getroffen, um im Fall einer sogenannten Escape-Variante des Virus den Impfstoff innerhalb von sechs Wochen anzupassen und erste Chargen innerhalb von 100 Tagen auszuliefern, erklärte Biontech. Auch das US-Unternehmen Moderna kündigte an, eine spezielle Auffrischungsimpfung gegen die Omikron-Variante zu entwickeln.
Als Escape-Variante wird eine Virusvariante bezeichnet, die sich der Wirkung der derzeit verfügbaren Impfstoffe zumindest in Teilen entzieht. Ein Impfstoff auf Basis des Botenmoleküls mRNA wie der von Biontech oder Moderna ist schneller herzustellen als herkömmliche Impfstoffe, da nur der Bauplan produziert werden muss, nicht das Antigen selbst.
Seit dem Auftreten der Delta-Variante hat keine neue Variante des Virus so große Besorgnis ausgelöst wie die in Südafrika entdeckte Variante Omikron. „Hinsichtlich der Genetik ist die neue Variante in der Tat etwas sehr Spezielles, das beunruhigend sein kann“, sagt Vincent Enouf vom französischen Institut Pasteur. Bislang ist aber nur wenig über den Erreger mit der wissenschaftlichen Bezeichnung B.1.1.529 bekannt. Er verbreitet sich aber weltweit und ist auch schon in Deutschland angekommen. In Hessen wurde ein Fall bestätigt, in Bayern gibt es drei hochgradige Verdachtsfälle. Auch aus den nordrhein-westfälischen Städten Düsseldorf, Essen und dem Landkreis Kleve wurden drei Verdachtsfälle gemeldet.
Die südafrikanische Ärztin Angelique Coetzee, die erste Inifzierte behandelte, berichtete zunächst nur von leichten Symptomen. Der französiche Infektiologe Yazdan Yazdanpanah warnt allerdings vor voreiligen Schlüssen: Um den Krankheitsverlauf zu bewerten, gebe es noch gar nicht genug Daten. Ein Todesfall im Zusammenhang mit einer Omikron-Infektion wurde laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) bislang nicht festgestellt.
Weniger als 24 Stunden nach Bekanntwerden der neuen Variante stellten eine ganze Reihe von Ländern den Flugverkehr mit den Staaten des südlichen Afrika ein. Aus Sicht von Experte Vincent Enouf kam dieser Schritt „fast schon zu spät“. Tatsächlich wurden aus zahlreichen Ländern weltweit bereits Fälle gemeldet, darunter allein 13 in Amsterdam bei Reise-rückkehrern aus Südafrika. In Australien wurden zwei vollständig geimpfte Flugpassagiere aus Südafrika positiv auf die Omikron-Variante getestet. Erste Experten kritisieren die Einschränkungen des Flugverkehrs als stigmatisierend für afrikanische Länder und warnen, dass andere Länder künftig das Auftreten neuer Varianten geheim halten könnten. Rumänien hat bereits ein Flugzeug nach Südafrika geschickt, um eigene Staatsbürger und weitere in dem Land festsitzende Europäer auszufliegen.
Einreisende aus Südafrika müssen in Deutschland wegen der neuen Variante direkt am Flughafen einen PCR-Test machen. Hierzu seien an den Flughäfen Frankfurt und München gesonderte Bereiche eingerichtet worden, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Wie bisher müssen alle Reisende aus dem Gebiet für 14 Tage in Quarantäne – unabhängig vom Testergebnis. Die WHO kategorisierte die neue Variante am Freitag wegen der großen Zahl an Mutationen als „besorgniserregend“. Am Montag stufte sie das weltweite Risiko durch Omikron als „sehr hoch“ ein. afp/sts