Die Zahl der Todesfälle löst derzeit Verunsicherung aus: Seit September steigen die Sterbefallzahlen in Deutschland deutlich – im Netz kursieren deshalb Behauptungen, dass die Corona-Impfungen tödliche Folgen hätten. Das Paul-Ehrlich-Institut hält es seit Impfbeginn vor einem Jahr aber in nur 73 Fällen für möglich, dass ein Todesfall auf die Impfung zurückzuführen ist. Zum Vergleich: An Corona-Infektionen sind in Deutschland seit Beginn der Pandemie mehr als 104 000 Menschen gestorben.
Für die erhöhten Sterbefallzahlen gebe es viel plausiblere Gründe als die Impfung, sagt Felix zur Nieden, Experte für Demografie am Statistischen Bundesamt. In der zweiten Novemberwoche lag die Sterblichkeit in Deutschland 17 Prozent über dem Mittelwert der letzten Jahre – und neun Prozent über dem Vorjahreszeitraum. „Etwas weniger als die Hälfte der zusätzlichen Sterbefälle lässt sich auf bislang gemeldete Corona-Todesfälle zurückführen“, sagt zur Nieden. „Aber wir vermuten, dass die Dunkelziffer bei diesen Todesfällen höher ist.“ Dafür spreche, dass Bundesländer mit besonders hohen Inzidenzen – etwa Bayern, Thüringen und Sachsen – aktuell auch die höchste Übersterblichkeit aufweisen.
Auch die strengen Maßnahmen aus dem vergangenen Winter spielten eine Rolle. „Damals war die Sterberate ohne die Covid-19-Todesfälle sehr gering, weil die Grippewelle ausgefallen ist. Es ist möglich, dass diese Sterbefälle jetzt nachgeholt werden.“ Generell lasse sich der letzte Winter mit dem jetzigen kaum vergleichen: 2020 kursierte noch der Corona-Wildtyp, Deutschland steckte im tiefsten Lockdown – heuer hat die aggressivere Variante Delta andere Typen verdrängt und Großveranstaltungen waren möglich.
Grundsätzlich müsse man bei Statistiken zur Sterblichkeit auch die alternde Bevölkerung berücksichtigen, sagt Göran Kauermann, Professor für Statistik an der LMU München. „Wir haben im Moment, ob mit Corona oder ohne, jährlich steigende Todeszahlen. Das macht pro Jahr etwa zwei Prozent aus.“ Er warnt vor „skurrilen Studien“ im Netz. Auch Zahlen, die die AfD-Fraktion in Bayern kürzlich präsentierte, könnten verunsichern. Demnach war die Hälfte der Corona-Toten der letzten Wochen geimpft. Die Zahl stimmt – allerdings werde dabei nicht erklärt, dass mit steigender Impfquote auch automatisch die Todesfälle bei Geimpften steigen. „Das ist wie bei Winterreifen“, sagt Kauermann. „Sie sollen im Winter vor Unfällen schützen, und dann stellt man fest, dass bei allen Unfällen Autos Winterreifen drauf hatten. Das heißt nicht, dass Winterreifen nutzlos sind.“ kab
Zahlen werden oft zusammenhangslos interpretiert